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Zwischen Tür und Angel wohnt das Leben

„Ach weisst Du, er sagte das so zwischen Tür und Angel. Ich weiß es gar nicht mehr so genau.“ Stimmt: was zwischen Tür und Angel gesprochen wird, geht oft unter, war vielleicht gar nicht so wichtig, war nur dem kurzen Moment der Begegnung geschuldet. Deshalb sagen wir oft so:  Ach, das war nur so zwischen Tür und Angel!

Allerdings möchte ich Sie heute anstiften, solchen Tür und Angelbegegnungen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Sonntags, wenn ich die Gottesdienstbesucher an der Tür begrüße, gehen die meisten mit einem „Guten Tag“ an mir vorüber, aber manchmal passiert genau dort – zwischen Tür und Angel – etwas Entscheidendes. Ich spüre das dann, wenn es mich im Verlauf des Gottesdienstes weiter bewegt, wenn ich es ins Gebet aufnehme oder ein Licht für solch eine Tür und Angelbemerkung anzünde. Was wenn zwischen Tür und Angel mehr Leben wohnt, als wir es so wahrnehmen:

Die ältere Dame, die in der Kirchentür stehenbleibt und eine kleine Puppe in Häkeljacke aus der Tasche holt: „Sehen Sie mal, ich habe sie neu bestückt, die hatte ja kalt. Ich hab sie wiedergefunden bei meiner Schwester. Es war meine erste Puppe von den Eltern. Die sind ja nun beide tot, aber die Schlummerpuppe, die hab ich noch. Die brauchte einfach eine neue Jacke“, sagt sie und steckt die Puppe wieder ein, während sie weitergeht. Zwischen Tür und Angel eine ganze Kindheit – und so kostbar, dass die Dame dies in ihrem hohen Alter mit mir teilt!

Das Kind, das im Kindergarten noch schnell in der Tür stehenbleibt, bevor es auf dem Flur die Schuhe anzieht, um mit dem Papa heimzugehen. Es ruft: „Frau Meier, morgen müssen wir damit weitermachen: bitte den Zettel nicht wegschmeissen. Ich habe noch nie gegen einen Erwachsenen bei dem Spiel gewonnen, aber morgen schaffe ich das bei Ihnen, bitte!“ Hoffnung und Vorfreude werden laut zwischen Tür und Angel! Können das nur Kinder?

Die Bewohnerin des Seniorenheims bleibt mit ihrem Rollator genau in der Tür stehen, wo die Küchenhilfe gerade hineinwill: „Aweill muss ich Ihnen mal was sagen: die Gurken, die Sie immer auf die Abendbrotteller legen, die erinnern mich so sehr an das Abendbrot mir meinem Mann: wie gern hat der Gurken gegessen! Und seitdem Sie mir das hinlegen, macht es mir gar nichts mehr aus, zum Abendbrot in den Speisesaal zu kommen!“ sprachs und schob weiter, ließ die Küchenhilfe mit einem Lächeln zurück. Das Lächeln geht mit, zwischen Tür und Angel hindurch in den Arbeitstag hinein.

Wieviel Leben laut wird zwischen Tür und Angel! Heilvolles, Trauriges, Freude und Leid – sogar zwischen Tür und Angel haben alle Facetten des Lebens Platz. Jesus selbst fand wahrhaftiges Leben auf dem Weg, nicht nur in großartigen Versammlungen oder festgelegten Situationen, sondern quasi überall. Jedenfalls verstehe ich Jesu Satz „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ genau so: Halte keinen Moment des Lebens für unbedeutend, überall kann Lebens-Wichtiges geschehen, eben auch zwischen Tür und Angel: Ich bin das Leben, sagt Jesus und meint auch die Erinnerungen der alten Dame mit ihrer wiedergefundenen Puppe: ja, so hat sie ihre Eltern ein Stück wieder bei sich, ihr Leben ist deutlich eins geworden durch all das, was sie mit der Puppe verbindet.

Ich bin die Wahrheit, sagt Jesus und hört die Hoffnung des Kindergartenkindes auf Gewinnen gegen eine Erwachsene im Spiel. Es ist als riefe er dem Kind zu: Freu Dich auf morgen, deine Hoffnung wird Wahrheit erfahren!

Ich bin der Weg, sagt Jesus und stärkt mit dieser Zusage die lächelnde Küchenhilfe durch ihren Arbeitsalltag, dass sie nicht vergisst zu bedenken, wie sie den Heimbewohnern eine kleine Freude machen kann.

All das ist sogar zwischen Tür und Angel möglich – geben Sie acht auf das Leben, das seinen Segen oft durch kleine Alltagssituationen erfährt!