Zwischen Desinteresse und Verurteilung

Eine Gruppe von Männern klagt eine Frau an. Sie wissen eigentlich schon vorher, was zu tun ist. Trotzdem fragen sie noch einen weiteren Mann: „Was meinst du?“
„Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein!“ sagt der.
Die Geschichte steht in der Bibel und der weitere Mann ist Jesus. Natürlich war das eine Fangfrage.
Mich beschäftigt an der Geschichte besonders, dass nach der Antwort von Jesus alle Männer wortlos weggegangen sind. Ohne die Frau zu verurteilen.
Ich fälle oft im Alltag ein schnelles Urteil. Und auf die Spitze getrieben wird das schnelle Urteilen in sozialen Medien. Dort kommt es sogar zu Shitstorms, ohne dass die Menschen die Personen kennen, die sie da verurteilen. Dabei weiß ich selbst, wie gut das tut, wenn andere mich nicht verurteilen, sondern nachfragen und offen bleiben für meine Perspektive.
Genau das bewirkt die Antwort von Jesus in der Geschichte. Die Männer greifen sich an die eigene Nase und stellen fest, dass sie selbst nicht ohne Fehler und Schuld sind.
Muss ich also alles tolerieren und darf keine Kritik an anderen üben? Nein, denn die Geschichte endet hier nicht. Als die Männer gegangen sind, sagt Jesus zu der Frau: „Ich verurteile dich auch nicht. Fang neu an und mache denselben Fehler nicht wieder.“ Er gibt eine kritische Rückmeldung, die die Frau in ihrem Leben umsetzen kann. Ein schmaler Pfad zwischen Desinteresse und Verurteilung also, den Jesus in der Geschichte aufzeigt. Ich sehe es als Aufforderung, mich in meinem eigenen Umgang mit anderen um eine gute Balance zu bemühen. Für ein gutes Miteinander.