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Zwei Kufen Glückseligkeit

Maxim lehnt sich an die Eismaschine. Seine Baseballmütze trägt er nach hinten gedreht, die Schlittschuhe baumeln lässig von der Schulter. Ich spüre seinen Stolz, drücke den Auslöser. Auf dem Foto wird man später nicht erkennen, dass über 30° im Schatten herrschen. Ja, dass den weißen Boden in der leeren Halle über­haupt kein Eis bedeckt. Maxim ist in seinem Element.

Mein Bild entstand im Sommer vor zwei Jahren. Zum Abschluss­gottes­dienst hatte ich Schülerinnen und Schüler der Klasse 10 ge­fragt, ob ich sie portraitieren dürfte. In Situationen und Orten, wo sie ganz bei sich sind. Eben glückselig. Maxim hatte zugesagt. Ich kenne ihn vom Schulhof – und aus der Eishalle. Eigentlich kenne ich zwei Maxims. Den stillen, nicht sehr großen, nicht sehr breiten und immer etwas bedrückt wirken­den Maxim vom Schul­hof, und den anderen Maxim. Den Maxim auf zwei Kufen.

Es gibt viele gute Eisläufer in Dillingen, Künstler in der Kurve, Rückwärtsfahrer, Breakdancer mit einer Hand auf dem Boden und die Schneebremser, die bei den Mädchen Eindruck schinden. Aber wie Maxim… fährt kein anderer. Es scheint, als schwebe seine Baseballmütze zwischen all den Köpfen hindurch. Maxim sieht die Lücken, durch die er fahren wird, bevor sie entstehen. Der Junge scheint sich niemals abzustoßen, alle Bewegungen flie­ßen ineinander. Er ist ganz bei sich. Im letzten Winter noch hat Maxim geholfen, wenn das Eis neu ge­macht wurde, ist auf der gro­ßen Maschine mitgefahren, be­diente im Bistro. Die Halle gab ihm Aufgaben und Anerkennung gleich­ermaßen. Und Verantwortung. Was für ein Unterschied zwischen diesem Maxim und dem anderen. Dem aus der Schule.

Mitte Januar sind in der Dillinger Eishalle die Lichter ausgegan­gen. Vielleicht für immer. Schade! Es wäre Ort weniger, an dem Ju­gendliche sich ausprobieren können; eine Anerkennung finden, die es in der Schule so für sie nicht gibt; einen Ort, wo sie ganz bei sich sein können. Glück­selig wie Maxim.