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Zusammen leben in der PatchWorkCity

Woran glaube ich? Woran zweifele ich? Wofür stehe ich? Was ist meine Haltung zu Gott und der Welt? Über diese Fragen denken viele Menschen immer wieder nach, aber darüber mit anderen zu sprechen, das fällt nicht immer leicht.

Umso erstaunlicher ist ein Abend verlaufen, zu dem die Landeshauptstadt Saarbrücken eingeladen hatte. Rund achtzig Frauen und Männer, junge und alte, Christen, Muslime, Angehörige der Baha’i-Gemeinde und Menschen, die sich als Atheisten oder Agnostiker bezeichnen, sind der Einladung in den Rathausfestsaal gefolgt. Dort haben sie über die Frage „Was glaubst du denn?“ miteinander diskutiert.

Von der unfänglichen Unsicherheit war schnell nichts mehr zu spüren, als sich die Teilnehmenden durch die erste Regieanweisung kämpfen mussten: die lautete nämlich, mit den Stühlen zwei große, doppelreihige Kreise zu stellen, so dass jede und jeder ein Gegenüber hatte. Bis die Anordnung gestimmt hat und hier und da Dolmetscher, meist für Arabisch, platziert waren, war einiges an Verständigung gefragt. Im 90-Sekunden-Takt und immer wieder einen Stuhl weiter rückend haben dann die einander zufällig gegenüber sitzenden Paare miteinander geredet. Etwa über die Frage: „Was ist Ihnen heilig?“, oder „Was empfinden Sie, wenn Sie in eine Kirche, eine Moschee, eine Synagoge gehen?“, und schließlich „Was bedeutet für Sie Gott?“

Später am Abend, die Stühle waren wieder zur Seite geräumt, ging es um Sinn- und Glaubensfragen in verschiedenen Lebensphasen. Auf dem Boden waren Jahreszahlen markiert: Welche Fragen haben Sie mit 20, 40, 60 Jahren beschäftigt? Welche Menschen, Ereignisse, Schriften haben Sie geprägt? In immer wieder neuen Konstellationen, zu zweit, zu dritt oder auch mal zu fünft, haben die Teilnehmenden zusammen gestanden und geredet: als ob sie einander schon lange kennen würden, und als ob nichts selbstverständlicher wäre, als über Glaube und Weltanschauung zu plaudern. Am Ende haben alle mit angepackt, zwei lange Tafeln in der Mitte des Saals aufgebaut und miteinander gegessen. Ein denkwürdiger Abend, von dem viele noch lange gesprochen haben.

Gerade was den interreligiösen Dialog betrifft, tut der Austausch von Mensch zu Mensch not. Wir leben in schwierigen Zeiten, in denen Religion, Nationalismus und Gewalt bedrohliche Bündnisse eingehen. Es genügt nicht, wenn sich die offiziellen Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften an runden Tischen zusammensetzen. In den persönlichen Begegnungen und Gesprächen liegt die Chance, das Schubladendenken zu überwinden und einen differenzierteren Blick auf die Menschen zu gewinnen. Diese persönlichen Begegnungen fordern mich heraus, meine eigenen Fragen an das Leben und die Antworten, die ich darauf gefunden – oder auch  nicht gefunden habe – bewusst zu formulieren. Im Angesicht des Anderen, zunächst Fremden, lerne ich mich auch selbst besser kennen.

Die Veranstaltung im Rathaus war Teil der Kampagne „PatchWorkCity. Zusammenleben in Vielfalt“, die die Landeshauptstadt Saarbrücken gemeinsam mit vielen Partnern ins Leben gerufen hat. Das Miteinander der Religionen und die Öffnung der Kirchen und Religionsgemeinschaften für die Vielfalt ist ein Aspekt der Kampagne, der den Veranstaltern von Anfang an wichtig war. Es kann einer Stadt nicht egal sein, wie die Menschen, die in ihr leben, miteinander umgehen. Mit der Kampagne will sie beispielhaft zeigen, wie Menschen, die einander sonst vielleicht nie begegnen würden und vor allem nie miteinander ins Gespräch kämen, in einen konstruktiven Dialog gebracht werden können. Bis zum 22. Juni gibt es noch Veranstaltungen und Begegnungsmöglichkeiten von Mensch zu Mensch in der „PatchWorkCity“ Saarbrücken.