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Zeit

Musik :       Times there are a-changin‘, Bob Dylan, Album: Times there are a-changin‘ (1964)

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer! Ich hoffe, Sie sind gut ins neue Jahr gestartet.

Das eben war Bob Dylan mit „Times there are a changin“, der Titelsong des gleichnamigen Albums von 1964. Noch mehr seiner Musik habe ich für diese Morgenfeier am ersten Tag des Jahres ausgesucht.

Das Lied reflektiert die sich ändernde Welt, ohne die Änderungen selbst zu benennen. Dylan bleibt dabei insgesamt eher vage. Das verleiht dem Song jene Zeitlosigkeit, die ihm bis heute nichts von seiner Attraktivität genommen hat. Dylan hat mit diesem Song bewusst versucht, eine Hymne des Wandels für die damalige Zeit zu schaffen. Das ist ihm für die Jugend- und Studentenbewegung der 1960er Jahre gelungen. Und wie ich denke: darüber hinaus, eben zeitlos.

„Times there are a changin“ geht über die politischen Probleme der Zeit, in der es geschrieben wurde, hinaus. Dafür spricht auch, dass es bis in die Gegenwart von über 500 namhaften Musikerinnen und Musikern gecovert wurde.

Im Liedtext bedient sich Bob Dylan dabei auch biblischer Motive und Inhalte. Einige Textzeilen erinnern an Worte aus dem Buch Kohelet, und der Schluss ist ein direkter Verweis auf ein Jesuswort des Markus-Evangeliums: And the first one now will later be last. Die ersten werden die Letzten sein.

Auf diesem Album ist auch der Song „When the ships comes in“, den wir jetzt gleich hören. Bereits 1963 sang er ihn zusammen mit Joan Baez. Auf dem berühmten „Marsch auf Washington“ der Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King.

Musik:       When the ships comes in, Bob Dylan,  Album: Times there are a-changin‘ (1964)

Heute ist Neujahr, der erste Tag des Jahres 2025. Ein Feiertag, für viele Menschen in Deutschland ein arbeitsfreier Tag.

Ein religiöser Feiertag ist es nicht. Für Christen beginnt das neue Kirchenjahr bereits im Dezember, manchmal sogar Ende November: am 1. Advent. Advent ist eine Wartezeit – eigentlich erstaunlich, dass das Kirchenjahr nicht mit der Geburt von Jesus Christus beginnt. Also mit dem Weihnachtsfest. Oder an Ostern, mit dem Tag seiner Auferstehung. Oder an Pfingsten, dem Geburtstag der Kirche. Nein, das christliche Jahr beginnt am 1. Advent mit einer Wartezeit.

Für Jüdinnen und Juden ist das neue Jahr übrigens schon richtig alt. Das jüdische Neujahrsfest Rosch ha-Schana wurde bereits vom 2. bis 4. Oktober 2024 gefeiert. Es liegt immer im Herbst eines Jahres.

Der Islam ist sogar noch früher dran: bereits am 8. Juli 2024 begann für Muslime das neue Jahr mit zweitägigen Festlichkeiten.

Obwohl also der erste Tag des neuen Jahres – und übrigens auch Silvester – keine religiösen Feiertage sind, feiern Kirchengemeinden heute den kalendarischen Beginn des Jahres mit Gottesdiensten und Andachten.

Der Wechsel der Jahreszahl – Anlass, über die Erfahrung von Zeit nachzudenken. Mit Vergangenem abzuschließen. Um sich der Zukunft zuwenden zu können.  Dabei sich klar zu machen, wie das eine aus dem anderen hervorgeht. Daraus Lehren zu ziehen. Gute Vorsätze zu fassen. Und Pläne zu schmieden.

Am frischen ersten Tag des Jahres sind das die Themen. Reizvolle Themen, die auch eine spirituelle, eine religiöse Dimension haben.

Musik:       Can’t wait (alternate version #2), Bob Dylan,  Album: Fragments. Time out of mind sessions (1996-1997). The Bootleg Series Vol.17 Deluxe Version (2022)

„Der Himmel ist grau, das Leben ist kurz“. Er weiß nicht, wie lange er noch warten kann. Er spürt, älter geworden, das nahende Ende der Zeit.

Der Song „Can’t wait“ ist aus dem Jahr 1996, da war Bob Dylan gerade mal Mitte 50. Vielleicht eine depressive Phase.

Ich kenne das sehr gut, dieses Gefühl, und nenne es das „Psalm-90-Gefühl“. Dort, in der Bibel heißt es:

Unser Leben, was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe;

denn es fährt schnell dahin, so, als flögen wir davon.

 

Erst die Corona-Jahre, dann diese endlosen Kriege. Dazu das Grundrauschen der katastrophalen Ereignisse rund um das Weltklima – kein Ende abzusehen, die Zeit fliegt davon – und nichts ändert sich. Das Gefühl – wir können doch eigentlich nicht warten – und verpassen wieder im vergangenen Jahr den grundlegenden Wandel. Verspielen Zukunft.

Inzwischen weiß ich, dass diese ständige Alarmstimmung nicht gesund ist. Für den einzelnen – aber auch für die Gesellschaft insgesamt. Und erinnere mich an einen uralten Text der Bibel, der klingt wie aus vergangenen, paradiesischen Zeiten. Oder nein, paradiesisch waren sie nicht, diese Zeiten, auch eigentlich pessimistisch. Aber ich spüre ein Gleichgewicht, einen ruhigen Pendelschlag der Ereignisse, der unserer Zeit der sich überschlagenen Katastrophen abzugehen scheint.

Aus dem Buch Kohelet, auch genannt: „Der Prediger“.

Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:

geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit;

pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit;

töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit;

abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit;

weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit;

klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit;

suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit;

behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;

schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit;

lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit;

Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.

 

Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon.

Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen.

Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.

Ich merkte, dass alles, was Gott tut, das besteht für ewig; man kann nichts dazutun noch wegtun.

 

Musik:       Knockin‘ on heaven’s door,   Album: Pat Garrett & Billy the Kid. Soundtrack (1973)

A)

Die Zeit.

Im Sandkasten spielen Kinder, schütten Sand von einem Haufen auf den anderen.

Sanduhr.

Der Haufen der größer wird, das ist meine Vergangenheit,

der Haufen der kleiner wird, das ist meine Zukunft.

Anschaulich wird das Maß des Lebens.

Und das Schütten des Sandes, wie er durch die Finger rinnt – das ist die Gegenwart.

B)

Die alten Ägypter, die dachten anders über die Zeit.

Für sie war die Zeit eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt.

Alles dreht sich um und um, kehrt immer wieder.

Die Zeit ist eine schöne Frau, sagen die Inder, von blühender Schönheit.

Alles bringt sie zur Welt, aber sie verschlingt auch alles wieder.

Ein ewiger Kreislauf.

Beruhigend. Vielleicht.

C)

Viele glauben an die alten Gedanken vom Kreislauf des Immer-Wiederkehrenden, auch bei uns im Westen, nicht nur im fernen Osten.

Beruhigend. Alles kommt wieder.

Nichts wirklich Neues, Beunruhigendes.

Man kann sich einrichten.

Vergangenheit ist schon das Versprechen der Zukunft.

Es gibt nichts wirklich Neues,

die Zeit ist schon geplant, wenn auch verborgen.

 

D)

Unser Leben währt 70 Jahre, und wenn’s hochkommt 80 – so heißt es in der Bibel, Psalm 90. Darum lehre mich, Gott, das Maß unserer Tage, dass ich erkenne, dass ich vergänglich bin.

E)

Die Zeit, wie zwei Haufen im Sandkasten. Sie hat ein Ende.

Viel Kraft ist nötig, mich nicht in die Zeit hinein zu verlieren,

sondern die Chancen zu ergreifen, um selbst zu handeln in der Zeit.

Das eigene Leben gestalten auf ein Ziel hin. Ein selbstgewähltes Ziel.

Die Zeit wie ein Sandhaufen – und ich bin der Handelnde,

der die durch die Hände rinnende Zeit fühlt.

In ihr weint, lacht, tanzt, liebt, hasst, wacht, schläft, denkt, baut.

F)

Jesus fügt dem noch etwas hinzu.

Jetzt ist die Stunde! Sagt er.

Jetzt ist die gute Stunde!

Jetzt ist die Stunde des Heils!

G)

Mir von dem Spielerischen des Augenblicks nichts nehmen lassen.

Den Augenblick nicht aus den Augen verlieren. Jetzt gilt’s!

Jetzt gilt’s, das Geschenk an erfüllter Zeit anzunehmen.

In jedem Augenblick die Chance ergreifen:

zu weinen, zu lachen, zu lieben, zu hassen,

zu wachen, zu schlafen, zu denken, zu bauen.

Meine Zeit steht in deinen Händen, Gott.

 

Musik :    Goodbye Jimmy Reed,  Album: Rough and rowdy ways (2020)