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„Wir leben von der Hoffnung“

Vorgestern ist er 95 geworden – Professor Jürgen Moltmann, einer der bedeutendsten evangelischen Theologen der Gegenwart. Er hat mich in meinem Studium am meisten geprägt! Ich habe ihn zuerst an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal und dann an der Universität Bonn gehört.

Sein Hauptwerk, die „Theologie der Hoffnung“, passte in den 60er Jahren genau zu der politischen und religiösen Aufbruchstimmung, zu Friedensengagement und Studentenrevolte. Diese hat nämlich auch gehofft. Und zwar darauf, dass dort, wo Unrecht, Gewalt und Unterdrückung herrschen, immer wieder Menschen in Kirche und Gesellschaft dagegen protestieren und aufstehen.

Für Jürgen Moltmann ist Theologie eine weltverändernde, christliche Praxis aus dem Geist der biblischen Hoffnung, für die Gott nicht in erster Linie ein Gott „über uns“ oder „in“ uns , sondern ein Gott „vor“ uns ist. Er geht uns voraus in eine neue Zukunft!

Moltmann gehört zu der sogenannten „Generation der Flakhelfer“, die noch mit 16 oder 17 zur Wehrmacht eingezogen wurden. Er hat dabei den Tod eines Schulfreundes in seiner unmittelbaren Nähe erlebt. Bei diesem Angriff wurde Moltmann selbst auch verletzt. Er schreibt in seiner Autobiographie: „In der Nacht habe ich zum ersten Mal in meinem Leben zu Gott geschrien und mein Leben in seine Hände gelegt.“

In englischer Kriegsgefangenschaft beginnt er, der aus einem unkirchlichen Elternhaus kommt, ein Theologiestudium – wohl nicht zuletzt wegen seiner Kriegserlebnisse! Die Angst vor der Zukunft ist das damals beherrschende Zeitgefühl für die „skeptische Generation“, wie man sie später nannte. Das ist wohl in unserer heutigen Krisensituation ähnlich. Auch ist uns der unbeirrte Fortschrittsglaube der 60er Jahre längst abhanden gekommen. Statt auf Weltverbesserung hoffen wir doch heute bestenfalls auf Vermeidung einer Weltkatastrophe! Ist also die Hoffnung auf das Ende von Krieg, Not und Unfreiheit weltweit illusionär?  Sind wir damit in unserer Lebensgestaltung nicht „hoffnungslos“ überfordert? Gibt es nur noch das Elend der Alternativen von Depression oder Aggression?

„Wo Hoffnung ist, ist Religion, aber wo Religion ist, ist nicht immer Hoffnung!“, hat der marxistische Philosoph Ernst Bloch  einst in seinem berühmten Buch „Das Prinzip Hoffnung“ konstatiert. Moltmann wollte das ändern. Seine Theologie sieht im Ende den Anfang des christlichen Glaubens. Deshalb haben wir gerade wieder nach Karfreitag  Ostern, das Fest der Hoffnung auf Erneuerung des Lebens, gefeiert! Es kommt auch heute wieder darauf an, die Hoffnung neu zu lernen, denn wir leben von der Hoffnung. Sie ist unser „Lebenszeichen“. wenn die Hoffnung aufhört, ist das Leben tatsächlich oder potenziell zu Ende. „Aufstehen für das Leben“ ist deshalb unsere christliche Aufgabe. Gib` nicht auf, setz´ dich ein, ist die christliche Konsequenz!

Ich persönlich setze dabei auch auf all´ die kritischen Gruppen, Initiativen und Bewegungen inner- und außerhalb der Kirchen, die weltweit nicht aufhören, für eine gerechtere Zukunft, und eine lebenswerte Erde zu kämpfen. Ich kann daher Jürgen Moltmann nur zustimmen, wenn er sagt: „Solange ich hoffe, atme ich!“