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Wie erleichtert darf man sein?

Freude für die Meinungsforscher: Nach Brexit und Trump, nach Saarland und Schleswig-Holstein lagen sie in Frankreich endlich mal nicht schief.

Aber nicht nur bei ihnen ging die große Erleichterung um, nachdem fest stand:

Marine Le Pen hat es nicht geschafft. Oder müsste man sagen „diesmal noch nicht“?

Über ein Drittel der Stimmen pro Le Pen: Das ist mehr, als die Nazis 1932 bei der letzten freien Reichstagswahl in Deutschland erreichten. Und das reichte schon zur Machtergreifung ein knappes Vierteljahr später.

Nein, 1932 ist nicht 2017. Die Ausgangslage ist nicht direkt vergleichbar.

Nicht in Frankreich, nicht in Deutschland, wo offenbar auch nicht alle Blütenträume der Rechten der Wirklichkeit standhalten.

Kann man sich also beruhigt zurücklehnen? Nach dem Motto: Das Glas ist nicht halb leer, sondern halb voll? Bestimmt nicht.

Unsere unmittelbaren Nachbarn drüben in Lothringen erleben das real existierende Europa Tag für Tag – oder könnten es doch. Ausgerechnet unter ihnen scheinen das viele gar nicht für so attraktiv zu halten. Hier wurde an vielen Stellen Le Pen bevorzugt.

Im Osten Deutschlands ging man 1989 mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ für Demokratie auf die Straße. Ausgerechnet dort finden sich Hochburgen der Leute, denen an Demokratie und Rechtsstaat, an Menschenwürde und Toleranz wenig bis nichts liegt.

Aber wer liefe denen nach, wenn er mit seinen Lebensumständen zufrieden wäre?

Angst ist ein schlechter Ratgeber. Zu viele aber haben den sozialen Abstieg in die Hoffnungslosigkeit schon hinter sich oder unmittelbar vor Augen.

Wie wird sich die Schere zwischen arm und reich weiter öffnen, wenn die Digitalisierung immer mehr Arbeitsplätze – und damit Einkommen – vernichtet?

Wie erleichtert darf man also sein?

Wir Deutschen –und alle anderen mit uns– sollten aus unserem gescheiterten Hass-Experiment gelernt haben. Den Gegenentwurf finden wir im zentralen christlichen Gebot: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Eine Politik und eine Wirtschaft, die Menschen ermöglicht, sich selbst und damit auch andere zu lieben, mag schwierig sein. Aber dieses Anliegen zu vernachlässigen, das kann eigentlich nur schief gehen.