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Wie eine Mutter tröstet

Wenn Gott von sich selbst redet, klingt das meist ganz einfach. So auch in der Jahreslosung für 2016. Gott spricht: „Ich will euch trösten, so wie einen seine Mutter tröstet.“ (Jes.66,12) Eine tröstende Mutter muss man nicht erklären. Die Worte aus dem Buch Jesaja wecken sofort Erinnerungen an Kindheitstage. Als aller Kummer noch in Mutters Armen aufgehoben werden konnte. Tränen bald getrocknet waren. Da fand ich  – im wahren Wortsinn – umfassenden Trost. Und dann nach einer Weile konnte das Leben weitergehen. Wie lange ist das her?

Ich bin erwachsen geworden und habe gelernt, anders mit schwe­ren Erfahrungen umzugehen. Als Erwachsener habe ich nüchtern zu sein. Ich werfe mich nicht in die Arme einer Mutter, und wäre sie auch Gott. So regt sich in mir Widerstand gegen das Bild von der tröstenden Mutter. Gibt’s denn kein Bibelwort, in dem ich meine Stärken wiederfände? So dass ich mir für‘s Neue Jahr sagen könnte: “Ich schaffe das“? Trost? Da gesteht man sich ja Schwäche ein! Jesaja denkt bei Gottes Trost aber durchaus an Stärke. Die Worte der Jahreslosung beenden einen langen Bilderreigen. Darin geht es um Jerusalem. Aus Trümmern soll neues Leben wachsen, doch sein Volk glaubt Gott nicht, wenn er vom großen Neuanfang spricht. Die Menschen stecken fest in altem Schmerz und Lethargie. Ich höre Sätze wie: „Das haben wir auch schon versucht“, oder „das klappt ja nie.“

Die Menschen ahnen vielleicht nicht, wie sehr sie Trost brauchen. Einen Trost, der erst einmal den Schutt zerbrochener Hoffnungen beiseiteschiebt. Trost, der aufdeckt, wie sehr sie unter ihrer als Realismus getarnten Hoffnungslosigkeit leiden. Und vielleicht auch unter der Angst, welche Lasten die Zukunft noch bringen mag. Gottes Trost deckt auf, wie sehr sein Volk trostbedürftig ist. Gott bietet starke Arme an, die einen Moment lang festhalten. Dann kann das Leben weitergehen.

Und ich? Weil ich kein Kind mehr bin, begegne ich meiner Trost­bedürftigkeit nur selten. Vielleicht zu selten. Weiß ich noch, wie stark es macht, in Gottes Armen alle Lasten loszulassen, bis das Leben weitergehen kann?