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Wegweiser

Es gibt ihn nicht mehr, den alten Wegweiser in Saarbrücken-Klarenthal. Er war schon ein bemerkenswertes Denkmal, mit sei­nen zwei Schildern. Eines hat immer nach rechts gewiesen, mit dem Hinweis: Friedhof. Und direkt daneben hing das andere, völ­lig gleichartige, Schild und wies nach links. Ebenfalls zum Fried­hof. „Ja was denn nun?“, werden sich Ortsfremde oft gefragt haben. Geht’s zum Friedhof nun nach rechts oder nach links? Hätte der Wegweiser sprechen können, vielleicht hätte er geant­wortet: Es ist egal, ob du Mensch den rechten oder den linken Weg wählst. Auf den Friedhof führen sie beide.

„Bedenke, dass du sterben musst“, lateinisch und verkürzt heißt es: memento mori. Diese Mahnung entstammt den Mönchslitur­gien des Mittelalters. Die alten Worte folgen den noch älteren der Bibel: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ (Ps. 90,12) Die Zisterziensermönche des Mittelalters fuhren noch nicht Auto. Sie hatten kein Smartphone und sind am Wochenende nicht in Freizeitstress geraten. Trotzdem haben sie damals schon etwas von der Gefahr gewusst, sich im Alltag zu verlieren. Sie wussten, wie man sich vor einer Geschäftigkeit schützt, die den Blick auf das Geschenk der Lebenszeit verstellt. Betend und singend von der Endlichkeit des Lebens ist es ihnen gelungen, ihre Gedanken frei zu machen für das Gespräch mit Gott. Für die entscheidende Frage: „Wohin willst du mit mir gehen, Herr?“

Und heute? Wann immer ich an der Kreuzung mit dem Wegwei­ser vorbei gekommen bin, war ich dankbar für das Stoppschild kurz davor. So blieb mir Zeit für mein kleines Innehalten, mein ganz persönliches Memento, und für die entscheidende Frage: „Wohin willst du mit mir gehen, Herr?“ Aber alles ist vergänglich, und so wurde auch der alte Wegweiser ersetzt. Heute heißt es: Friedhof Klarenthal rechts abbiegen, Friedhof Krughütte links. Und nichts hilft mir mehr an dieser Stelle hin und wieder anzuhalten für mein kleines memento mori. Na ja, andererseits bin ich dort sowieso am liebsten geradeaus gefahren. Weil Jesu Weg mit mir auch nicht nicht auf einem Friedhof endet.