„Vorschläge machen“
Bertolt Brecht hat mal über eine mögliche Inschrift für seinen Grabstein gesagt: „Ich benötige keinen Grabstein, aber wenn ihr einen für mich benötigt, wünschte ich, es stunde darauf: ‚Er hat Vorschläge gemacht. Wir haben sie angenommen.‘ Durch eine solche Inschrift wären wir alle geehrt.“
Nun denn – dieser Vorschlag des unbescheidenen Theatergenies wurde nicht angenommen. Sein Grabstein nennt allein den Namen: Bertolt Brecht. Aber immerhin: Auf seinen Wunsch, dass die Beerdigung ohne ein einziges gesprochenes Wort vollzogen werde, darauf ist man eingegangen. Es muss beeindruckend gewesen sein, wie dieser Meister der Worte völlig schweigend zu Grabe getragen wurde. Welch ein letzter Vorhang!
Was aber steht hinter der Idee, für die eigene Bestattung – um es mit Brecht zu sagen – „Vorschläge“ zu machen? Als Pfarrer werde ich häufiger angesprochen: „Haben sie mal Zeit für mich? Ich würde gerne meine Beerdigung vorbereiten.“ Ich finde das gut.
Klar, bei Vielen spielt auch der Wunsch nach Kontrolle eine wichtige Rolle. Manchmal geht es darum, das berühmte letzte Wort zu haben. Aber eben nicht nur. Oft wünscht sich ein Mensch, dass die eigene Einzigartigkeit zum Abschied noch einmal aufscheinen möge. ‚I did it my way‘, hat Frank Sinatra einst gesungen. Anders gesagt: Das Persönliche, das Einzigartige soll nicht untergehen in der unpersönlichen Menge kirchlicher Worte.
Ein berechtigter Wunsch. Zu unserem ganz persönlichen Lebensweg diesseits des Himmels gehört auch der letzte Gang, den andere für uns vollziehen. Der Abschied derer, die unser Leben teilten und die uns bestenfalls sehr geliebt haben, der wird in den Herzen Spuren hinterlassen. Als letztes gemeinsames Lebenszeichen. Einzigartig wie der Mensch, so sei, was von ihm bleibt.
Auf der anderen Seite beschreibt das Begräbnis die Schwelle zu dem Raum, der dem menschlichen Gestaltungswillen entzogen ist. Ja schon, dass ich sterben musste, spricht es unmissverständlich aus: mein „Vorschlag“, noch eine Weile hier zu bleiben, ist weiß Gott nicht angenommen worden. Was mit mir geschieht, was von mir bleibt, darauf habe ich keinen Einfluss mehr. ‚Meine Zeit steht in deinen Händen‘, singt der Psalmbeter.
Insofern treffen sich am offenen Grab Vergangenheit und offene Zukunft, Gestaltungskraft und Ohnmacht, Erinnerung und Erwartung. Allein zu singen: ‚I did it my way‘, bliebe einseitig rückwärtsgewandt und ohne Antwort auf die Frage, was nun kommt.
Aber – was kommt denn? Das weiß ich nicht. Ich weiß es so wenig wie jeder andere Mensch auf Erden. Vielleicht war so gesehen Bertolt Brechts „Vorschlag“, ihn besser schweigend zu begraben, folgerichtig.
Aber mir wäre er zu trostlos. Wenn ich mir heute, mit der Botschaft von Weihnachten im Rücken einen Vorschlag für mein Begräbnis erlauben dürfte: Leiht euch die Antwort derer, die vor uns lebten und im Sterben Hoffnung hatten. Leiht euch Worte, in denen Einzigartigkeit und Begrenztheit meines Lebens zugleich zur Sprache kommen. Sagt wie der Psalmbeter: ‚Meine Zeit steht in deinen Händen‘.
Durch solche Worte wären alle meine Tage geehrt.