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Vom Blödsinn des Aberglaubens

Schluss mit dem „Blödsinn des Aberglaubens“. Darum ging es ihm, Immanuel Kant, dem Philosophen der Aufklärung. In diesem Frühjahr wäre er 300 Jahre alt geworden. Amulette, Bannsprüche und Kaffeesatzleserei waren zu seiner Zeit noch ganz alltäglich und ihm ein Gräuel. „Aufklärung“, so Kant, „ist die Befreiung vom Aberglauben.“ Das Mittel dazu: Vernunft und Wissenschaft.

Allzu erfolgreich war diese Befreiung nicht. Der „Blödsinn des Aberglaubens“ grassiert wie im tiefsten Mittelalter. Beschleunigt und verstärkt durch die Pandemie der letzten Jahre. Wie in einem Topf haben sie da im Netz miteinander geköchelt: Impfskepsis und Naturheilkunde mit esoterischen Geheimlehren; Spiritismus, Okkultismus und Astrologie mit allen möglichen Verschwörungsmythen. Mag man der einen oder anderen dieser „Zutaten“ noch zugestehen, dass sie zumindest interessante Fragen stellt, ergeben sie als Eintopf doch ein ziemlich giftiges Gebräu.

Gift für den inneren Frieden. Gift für unsere Demokratie. Gift für unsere Freiheit.

Eine soziologische Studie kam 2020 zu dem Ergebnis, dass es einen offensichtlichen Zusammenhang gibt zwischen Aberglauben, Verschwörungsmythen und Rechtsradikalismus.

Konkret: Wer gegen Viren lieber die Bude auspendelt, als sich impfen zu lassen, weil er glaubt, dass uns beim Impfen Chips implantiert werden, um uns zu kontrollieren, der hält es dann auch sehr leicht für richtig, das „System“ zu zerstören.

Aberglauben heißt wörtlich so viel wie: Hinter, jenseits, abseits des Glaubens. Und Glauben ist nur ein anderes Wort für Vertrauen. Aberglauben ist tiefes Misstrauen gegen Gott und die Menschen. Vom Misstrauen ist es nicht weit bis zum Hass. Der tobt sich immer dreister aus – nicht nur, aber vor allem im Netz.

Misstrauen und Hass – ein Gift, das alles zersetzt.

Ich habe einen Wunsch für die Fastenzeit, die gestern begonnen hat. Warum nicht den Aberglauben fasten? Warum nicht das tiefe Misstrauen gegen alles und jeden einfach mal sein lassen? Warum nicht dem Hass einfach mal abschwören?

Oder positiv formuliert: Warum einander nicht sehr bewusst einfach mal mit einem Vertrauensvorschuss begegnen? Ja, auch den Politikern.

Wenigstens bis Ostern: Schluss mit dem „Blödsinn des Aberglaubens“.

 

Der Link zur Mediathek: https://www.sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=137197