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Vielfalt

Zwei Mädchen schaukeln auf einem Spielplatz, an dem ich vorbeigehe.

„Gelee, Marmelade, Fruchtaufstrich, Konfitüre, Samt, ey was soll ich denn noch alles kennen?“

Die Empörte, eigentlich zu alt für den Zutritt zu einem Spielplatz, ruft aufgeregt und gestikuliert wild. Sie erklärt ihrer Freundin, dass sie für eine Klassenarbeit in Haushaltslehre alle Unterschiede kennen muss.

„Warum muss es so viel unterschiedliches Zeug überhaupt geben?“

Tja, denke ich, das nennt man Vielfalt. Eigentlich ein Luxusproblem, dass wir uns zwischen all jenen Produkten am langen Ende im Supermarkt entscheiden können.

Es ist gerade Beerenzeit. Zeit zum Ernten, Riechen, Staunen über Gottes reiche Schöpfung. Ein Wunder, dass immer noch was wächst bei der Hitze. Ein Wunder auch diese Vielfalt, trotz des Artensterbens. Manchmal gehe ich bewusst einen Weg und schaue mir alles mal genauer an. Da gibt es so viele Unterschiede an Pflanzen und Lebewesen. Ich bin dankbar und es macht mich besonders im Sommer demütig zu sehen, wie schön es ist. Kurz mal den Kopf ausschalten und nicht über alle Probleme nachdenken, die der Sommer und die Hitze mit sich bringen.

Eine andere Vielfalt halte ich oft aber nur schwer aus: die Vielfalt des Denkens und Handelns von Mitmenschen. Beispiel gefällig? Neulich auf einem Grillfest: Der Gastgeber bietet den eingeladenen Nachbarn veganes Grillgut an. Einer lehnt lautstark ab: „Bleib mir weg mit dem Zeug, hast du keinen Schwenker?“ Und schon gehen Veganer und Fleischesser verbal aufeinander los. Am Nachbartisch beginnt eine Diskussion über die unfähigen Politiker, es wird unflätig geschimpft. Und eigene Lösungen gibt es natürlich keine, nur Hetze. Ich will nicht länger zuhören und schaue auf mein Handy. Keine Zuflucht, denn da, auf Facebook, sehe ich auch nur grenzwertige Kommentare, die mal wieder gegen den Klimaschutz wettern. Und ich rege mich über dieses populistische Gerede auf.

Wie hält man so eine Vielfalt aus? Auch mit Staunen und Wundern? Menschen sind verschieden, das ist normal. Aber wo werden Grenzen verletzt, wo muss ich leidenschaftliche Gegenreden halten und wo entscheide ich mich für die Freiheit, nichts zu sagen? Sicher ist es auch die Hitze, die so aggressiv macht. Ich hab selbst gespürt, wie meine Gelassenheit dahinschmilzt. Stattdessen brennt sie die Spalten in der Gesellschaft immer tiefer aus.

Mein Weg, mit der Hitze außen und meinen hitzigen Gedanken umzugehen? Mich abzukühlen. Aber nicht im Schwimmbad, da geht es ja auch hitzig zu, sondern in kühlen Kirchen. Ich ziehe mich in diesen kühlen Schutzraum zurück, in die Stille und Geborgenheit. Ich summe dann das Lied des vergangenen Kirchentages: Meine Zeit in deinen Händen, meine Zuflucht Gott bist du. Meine Zeit in deinen Händen, meine Seele kommt zur Ruh.

Diese stillen Zeiten geben mir Kraft und Trost. Augenscheinlich trennt mich einiges von Menschen und ihren mir oft auch skurrilen Meinungen, und ich sage mir dann: in Gottes Augen sind wir alle gleich. Gleiche Würde, gleicher Maßstab, alle mit Herz. Ja, Gott hat die Vielfalt und jeden einzelnen Menschen wunderbar gemacht. Wie sich dieser Mensch entwickelt, warum er zu dem oder der wird, hängt von so vielen Faktoren ab, die ich nicht wissen kann. Warum jemand ängstlich und im Denken eng wird, kann ich nicht sagen, aber ich kann sicher sein: Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; Gott aber sieht das Herz an.

Genießen Sie die Vielfalt dieses Sommers!