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Vertrauenskrise

„Ich glaube, hilf meinem Unglauben“. Das war die biblische Jahreslosung, also sozusagen das Motto für dieses Jahr. Sie trifft meine aktuelle Gemütslage sehr genau.

In mehr als einer Hinsicht bin ich dieses Jahr beinahe oder tatsächlich vom Glauben abgefallen.

Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass Zigtausende ernstlich glauben, Corona sei die Verschwörung, vielleicht sogar bloße Erfindung, irgendwelcher Eliten, um das Volk seiner Freiheit zu berauben. „Querdenker“ und Co. haben meinen Glauben an die Vernunft der Menschen erschüttert.

Dass der abgewählte Präsident der ältesten Demokratie der Welt sich nicht nur weigert, seine Wahlniederlage einzugestehen, sondern einen Putsch von oben versucht, bewusst sein Land spaltet und gewalttätige Unruhen provoziert, hätte ich nie für möglich gehalten. Donald Trump und seine Fans, sowie ihre Schwestern und Brüder im Geiste bei uns, haben meinen Glauben in die Stabilität der westlichen Demokratien, auch unserer Demokratie, tief erschüttert.

Was ist los mit den Leuten?

Friedrich Nietzsche, der atheistische Philosoph des 19. Jahrhunderts, hat sinngemäß gesagt: Der Mensch hat Gott zu früh getötet. Er hat ihn getötet, als er ihn noch brauchte. Er hat die höchste und gute Autorität getötet und nun spielt sich jeder Hans Wurst zum Höchsten auf.

Der Mann hat recht. Nur würde ich nicht sagen, der Mensch habe Gott getötet. Er tut aber so, als sei Gott tot. Er vertraut ihm nicht mehr. Misstrauen breitet sich aus und vergiftet alles. Aber Zusammenleben geht nicht auf der Basis von Misstrauen. Vertrauen tut Not. Auch im nächsten Jahr!