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Versagergott

Schmierereien an Hauswänden, Brückenpfeilern, Bushaltestellen finde ich hässlich. Auch wenn sie bunt sind. Das meiste versteh ich eh nicht – die Graffiti-Szene sprayt ja in einer Zeichensprache, die nur Insider verstehen. Manchmal treffe ich beim Gang durch die Stadt aber auf gesprayte Worte, die lesbar sind: „Gott, du Versager!“ prangt da an einer blaugrauen Häuserwand. Mit einem fetten, vorwurfsvollen Ausrufezeichen am Ende. Ich weiß nicht, wann das dorthin gesprayt wurde. Ob nach einem schlimmen Unglück mit vielen Toten irgendwo in der Welt. Oder nach einer persönlichen Katastrophe des Sprayers.

Etwas Schreckliches, Krieg, Seuche, Tod – und es heißt dann: „Wo war da Gott? Warum lässt er so etwas zu? Gott hat versagt!“ Manchmal frage ich mich das auch. Muss aber einsehen: Wenn Menschen Mist bauen, dann Gott vorzuwerfen, der hätte versagt – so einfach ist das nicht. Krisen sind von uns Menschen selbst zu verantworten. Das Elend und die Ohnmacht auf der einen, der Reichtum und die Arroganz auf der anderen Seite. Nicht Gott versagt, Menschen versagen.

Christen sprechen von Freiheit als einer von Gott geschenkten Gabe. Die Frucht der Freiheit kann auch bitter sein, wenn wir nicht verantwortlich mit der Freiheit umgehen und vor allem eine andere Gabe Gottes vergessen: die Liebe zu den anderen, gerade zu dem, der anders ist als ich selbst.