Beiträge

Vergebung entlastet

Vor einigen Jahren war ich auf einem Seminar zum Thema Vergebung. Die Referentin machte eine sehr anschauliche Übung. Sie bat mich, hinter ihr herzulaufen. Nach zwei Runden durch den Saal begann sie mich mit den unterschiedlichsten Aussagen zu beleidigen: „Du kommst mir ziemlich blöd vor! Wie kann man nur so begriffsstutzig sein! Kannst du dir nicht mal Mühe geben? Aus dir wird ja nie etwas werden!“

Bei jeder Beleidigung warf sie mir einen kleinen Karton zu, den ich ihr nachtragen musste. Bei Karton Nummer fünf drehte sie sich dann um und fragte mich: „Na, wer trägt denn jetzt die Last? Du oder ich?“

Klar, ich trug ihr die Kartons nach! Dann sprach sie darüber, wie schwer mein Leben wird, wenn ich anderen Menschen immer etwas nachtrage. Und je länger das dauert, desto schwerer wird die Last. Wer trägt dabei die Last? Doch nicht der, der mich verletzt! Umgekehrt, ich trage ihm etwas nach und beschwere damit mein Leben.

Das kenne ich, dieses starke Gefühl nach einer Verletzung: „Dem vergebe ich nie!“

So erging es mir im Studium. Ein Kollege hatte mich tief verletzt. Jahrelang habe ich mich damit abgeschleppt. Als ich endlich mit ihm darüber sprach, erst da konnte ich loslassen und vergeben. Daraus habe ich gelernt. Ich bin nicht mehr bereit, Verletzungen anderen jahrelang nachzutragen. Klar, das gelingt mir nicht immer sofort. Aber wenn ich es dann loslasse, ist es sehr befreiend.

Jesus sagt: Vergebt einander, wie auch ich euch vergeben habe! Früher dachte ich, dass mich Jesus mit dieser Aufforderung überfordert. Heute begreife ich, welche Entlastung er mir da anbietet.