Verachtung
„Man muss sparsam sein mit seiner Verachtung in Zeiten, in der so viele sie verdienen“. Dieser Satz des französischen Schriftstellers und Politikers Francois-René de Chateaubriand ist heute so bedenkenswert wie vor 200 Jahren.
Gegenseitige Verachtung der verschiedenen Gruppen und Milieus ist geradezu ein Kennzeichen unserer Gesellschaft geworden. Ein Austausch zwischen ihnen findet kaum noch statt. So köchelt die Verachtung vor sich hin. Wenn sie lange genug köchelt, wird sie zu Hass. Zur Gewalt ist es dann oft nur noch ein kleiner Schritt.
Vielleicht sollte man nicht nur sparsam sein mit seiner Verachtung, sondern sie sich ganz verbieten.
Hat das nicht auch Jesus getan? Mit korrupten Zöllnern und Huren saß er zu Tisch. Also mit denen, die von allen verachtet wurden. Ihr Verhalten hat er kritisiert, sie aber als Menschen respektiert.
Aber Vorsicht. Jesus hat auch gesagt: „Wer eines der Kinder, die mir vertrauen, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein um seinen Hals gehängt und er im Meer ersäuft würde, wo es am tiefsten ist (Mt. 18,6)“. Offensichtlich gab es auch für Jesus Grenzen des Respekts.
Manche Taten sind so abscheulich, dass es nicht mehr möglich ist, zwischen Tat und Täter zu unterscheiden. Wer seine Frau betäubt und im Internet zur Vergewaltigung anbietet, hat meine Verachtung. Assad und seine Folterknechte haben meine Verachtung. Wer sein Nachbarland mit Krieg überzieht und Kriegsverbrechern Orden an die Brust heftet, hat meine Verachtung.
Sich die Verachtung verbieten? Eher nicht. Sparsam sein mit seiner Verachtung, muss genügen.