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Urlaubsalltag

„Eigentlich wollten wir ja wieder nach Portugal in diesem Jahr“, erzählt mir ein Freund. „Vierzehn Tage Algarve. Ein paar Ausflüge wollten wir machen und ansonsten schön am Strand liegen. Aber daraus wird ja nichts. Wegen Corona.“ Ich nicke. Dann fährt er fort, dass es zwar keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gäbe, aber dass seiner Partnerin und ihm einfach nicht ganz wohl war bei dem Gedanken, in der aktuellen Situation ins Ausland zu fahren.

So, wie den beiden geht es wohl Vielen in diesem Jahr. Trotz aller Lockerungen ist Vieles immer noch verboten. Und vieles von dem, was wieder erlaubt wäre, hinterlässt ein komisches Gefühl. Etliche haben ihren Urlaub deshalb umgebucht. So auch mein Freund. Statt nach Portugal geht’s nun in die Berge. Da war er noch nie. Und seine Partnerin auch nicht, erzählt er mir.

„Na, mehr Unterschied geht ja nicht“, sage ich. „Wolltet Ihr nicht an Nord- oder Ostsee? Dann hättet Ihr ja wenigstens auch Meer gehabt?“ „Genau das ist der Punkt“, antwortet er. „Es wäre dann zwar auch Urlaub am Meer gewesen, aber wir hatten irgendwie Bedenken, dass er uns dann vielleicht vorkäme wie ein Abklatsch des eigentlichen Urlaubs. Deshalb haben wir gesagt: Wenn schon anders, dann richtig anders.“ Das hat eine gewisse Logik, denke ich. Und vielleicht liegt darin auch eine große Chance.

Urlaub unterbricht den Alltag. Das ist ja der Sinn und Zweck des Ganzen. Aber manchmal droht ja auch der Urlaub zu einer Art Alltag zu werden. Zwar ohne arbeiten zu müssen, aber doch mit viel Routine und Gleichförmigkeit. Zum Beispiel dann, wenn man ein bestimmtes Reiseziel hat, in das man schon seit vielen Jahr immer wieder fährt. Das ist zwar einerseits gut, denn man kennt dann dort schon Vieles, die schönen Ecken, die guten Lokale, die besten Strände undsoweiter. Auf der anderen Seite fordert einen so ein Urlaub aber auch nicht mehr so sehr heraus, Neues zu erleben. Es ist sozusagen eine Art Urlaubs-Alltag.

Ein Urlaub an einem neuen, unbekannten Reiseziel kann da anders sein. Er unterbricht in diesem Sinne den Alltag also mehr. Die Urlaubstage sind weniger planbar als wir es vielleicht aus bisherigen Urlauben gewohnt sind. Die Zeit steht dadurch natürlich auch an neuen, anderen Reisezielen nicht still. Aber wir gewinnen unter Umständen für einen Moment mehr Abstand vom Alltag. Die Unterbrechung desselben ist in diesem Sinne unter Umständen deutlicher zu spüren.

Unterbrechung ist die kürzeste Definition von Religion, hat der katholische Theologe Johann Baptist Metz einmal gesagt. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es geht mir jetzt nicht darum, den Sommerurlaub auf Teufel komm raus religiös zu überhöhen. Aber er kann uns ein kleines Stück weit dem näher bringen, was wichtig für uns Menschen ist. Besonders in diesem Jahr an einem neuen, unbekannten Reiseziel. Jedes Unter-brechen kann immer auch ein Auf-brechen sein. Hin zu etwas Neuem. Weg von der Mühle des Ewig-Gleichen. Um im Bild vom Urlaub zu bleiben: ein Aufbrechen auf eine Insel inmitten von Vielem, was alltäglich ist.

Das verursacht unter Umständen zunächst kein gutes Gefühl in uns. Wie bei meinem Freund. Er sagt: „Die Zeit jetzt, vor dem Urlaub, fühlt sich irgendwie komisch an.“ Klar, weil Neues auch Angst machen kann. Vertrautes, Alt-Bekanntes gibt Sicherheit. Wie ein Geländer, an dem wir uns festhalten können. Neues dagegen scheint dagegen eher wie eine Eisschicht zu sein, auf der wir gehen müssen – zunächst ohne Geländer. Aber ich bin mir sicher: Wir können lernen, auch so zu gehen. Auch so wunderschöne Urlaube zu verbringen. Anders als gewohnt, aber trotzdem – oder gerade deswegen – wunderschön.

Egal, ob und wohin Sie in diesem Sommer in den Urlaub fahren: Ich wünsche Ihnen eine wunderbare Zeit!