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Unglück als Glück

Es gibt immer mehr Ratgeberbücher zum Thema: Wie werde ich glücklich? Eigentlich gibt es gar keine Entschuldigung mehr, nicht glücklich zu sein. Man hat dann halt nur noch nicht das richtige Buch gelesen. In der Bibel steht auch etwas über das Glück, wenn auch reichlich verquer: „Glücklich sind die, die trauern, die hungern, die arm sind, die verfolgt werden…“ heißt es in der Bergpredigt. Das sind lauter Zustände, die wir normalerweise ja gerade nicht mit „Glück“ in Verbindung bringen. Aber ihnen folgen dann immer auch Verheißungen: „…denn sie sollen geröstet werden, satt werden, ihnen soll die Erde gehören…“

Das Glück besteht also in der Vorfreude auf die Erfüllung. Aber bis so weit ist, darf man ruhig zugeben, dass man sich noch gar nicht glücklich fühlt. Ohne sich dafür schämen zu müssen. Vor diesem Hintergrund hat der Psychologe Erich Fromm in unserer Gesellschaft ein „Diktat, glücklich zu sein“ entdeckt: Wer zugebe, dass er unter Depressionen und Schlaflosigkeit leide, Schmerzen habe, sei schwach und kein wertvolles Mitglied der Gesellschaft. Für Fromm sind gerade diejenigen die Mutigen, die Freien, die Gesunden, die offen bekennen: Ich fühle mich nicht gut. Aber ich habe deshalb kein schlechtes Gewissen.

Im Fernsehen häufen sich die Werbespots für Partnersuchportale, Schlaf- und Schmerzmittel. Sie spielen mit unserer Angst, nicht mithalten zu können: „Wenn es dir nicht gut geht, kannst du was dagegen tun“. Dabei ist es manchmal viel hilfreicher, wenn uns einer zuhört und interessiert fragt: „Was hast du für Symptome? Interessant, das kenne ich auch. Ich bin also gar nicht alleine krank und unvollkommen. Das tröstet mich!“