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Unangenehm ruhig

Ein Freund hat mir neulich sein Leid geklagt. Er neigt zum Klagen. Mal sind es die steigenden Preise, mal unverschämte Elektro-Roller-Fahrer, mal seine Katze, die immer in dieselbe Ecke der Wohnung pinkelt. Ich mag ihn, deshalb ertrage ich das. Außerdem bin ich Pfarrer. Klagemauer von Berufswegen. Und wenn er ausgeklagt hat, dann ist er ein angenehmer und humorvoller Gesprächspartner.

Also neulich fing er wieder an, kaum dass er am Tisch in unserem Lieblingscafé Platz genommen hatte.

„Du, schräg gegenüber im Haus, diese beiden vorpubertierenden Rotzlöffel, du erinnerst dich?“

Ich nicke. Und wie ich mich erinnere. Denn er beklagt sich oft über diese beiden Brüder von gegenüber. Mal über deren unerträglich lautes Gekreische am Mittag. Mal über die vollaufgedrehte Musik am Abend, mal hier nicht wiedergebbare Ausdrücke ihm gegenüber, wenn er sie zur Rede stellt. Übrigens: meinen Hinweis auf Jesus, der doch gesagt hat: „Lasst die Kinder zu mir kommen“ quittiert er jedes Mal mit „Bin ich Jesus?“ Da hat er recht, wir lachen und gut ist.

Aber diesmal, diesmal scheint es irgendwie… ernster zu sein.

„Haben die beiden mal wieder den Klingelknopf an deiner Haustür mit Streichholz und Sekundenkleber festgeklemmt?“ frage ich.

„Nein. Stell dir vor: Jetzt sind ‘se weg. Unbekannt verzogen sagt der Briefträger. Die ganze Bagage ist weg. Tja, jetzt ist es wieder ruhig. Und was soll ich dir sagen: Viiiiieeeel zu ruhig ist es. Mein Gott, ist das langweilig geworden.“