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Todesdatum

Am 19. Mai 2036 werde ich sterben. Statistisch gesehen. Ich werde dann 84,8 Jahre alt sein. Im Internet gibt es eine Seite, dort kann man sich sein Sterbedatum ausrechnen lassen. Man gibt seinen Geburtstag ein, ob man Mann oder Frau ist, und wo man wohnt. Dann bestimmt die Software eine durchschnittliche Lebenserwartung und trägt sie in einem Kalender ein. Als ich mein Sterbedatum vor mir gesehen habe, dachte ich mir: 2036 liegt doch recht weit in der Zukunft. Keine Ahnung, was da ist. Wie radikal sich die Welt in kurzer Zeit ändern kann, erleben wir ständig. Wer weiß, wie ich mich bis 2036 selbst verändert habe. Vielleicht bin ich gar nicht mehr bei Verstand und bekomme es nicht mit.

Meine Frau will von Sterbedaten überhaupt nichts wissen. So was erinnere sie an einen Film, sagt sie, der neulich im Fernsehen lief: Eine Lebensberaterin gibt einem Mann Maßband und Schere in die Hand und fragt:

„Wie alt sind sie?“

„Neunundfünfzig.“

„Schneiden Sie das Band bei neunundfünfzig ab.“

Gesagt, getan. Danach ist das Band nicht mal mehr halb so lang.

„Und jetzt schneiden Sie oben bei 82 ab“, sagt die Beraterin, „denn mit 82 werden sie – statistisch gesehen – sterben.“

Auch das macht der Mann und hält dann nur noch 23 Zentimeter in der Hand. Ein sehr kurzes Stück. Seine Unterlippe fällt runter.

Ich würde bei so einer Szene auch erschrecken. So viel ist schon weg, so wenig bleibt. Das hebt natürlich die Bedeutung des übrig gebliebenen. Kann vielleicht sogar helfen, weniger zu trinken, nicht zu rauchen, vernünftig zu essen und die Zeit sinnvoll zu füllen. Nur: Wie macht man das? Mit Karibik- und Kulturreisen? Mit Walking, Trekking, Surfing? Einem Tanzkurs? Soll man in einem Chor mitsingen, sich in die Ahnenforschung stürzen? Wie füllt man sinnvoll seine Zeit?

Ich  glaube: Egal, was man auch tut, wichtig ist, dass es einen Kern hat. Dieser fehlt zum Beispiel, wenn ich mich mit dem, was ich mache, nur von der Angst vor dem Tod abzulenken möchte. Für Christen ist klar, dass Gott der Kern ihres Tuns ist. Er macht aus dem Tod ein Ziel. Eins, an dem alles geborgen und gut aufgehoben ist.