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Sünde und Krankheit

Anfang April bekomme ich ein Video geschickt, das über den Sinn der Coronakrise nachdenkt. Der Verfasser überlegt, was das Virus wohl sagen würde, wenn es reden könnte. Ich zitiere aus dem Video: „Ciao, ich bin Covid 19. Viele von euch kennen mich unter dem einfachen Namen Coronavirus.  (…) Warum bin ich hier? Sagen wir es mal so, dass ich es leid bin, euch bei der Rückbildung anstatt der Entwicklung zuzusehen. Ich war müde, euch zuzusehen, wie ihr mit euren Händen alles ruiniert. Ich war müde, euch zuzusehen, wie ihr diesen Planeten behandelt…. Ich war müde von eurem sozialen Neid, eurer Gier,  eurer Heuchelei und eurer Selbstsucht. ……“  In diesem Ton geht es weiter, und es werden weitere menschliche negative Eigenschaften aufgezählt.   „Ihr müsst den Kurs ändern,“ sagt das Virus dann und fordert dazu auf, das Leben mehr zu schätzen.  Wir sollen Gutes tun. Das Virus möchte erreichen, dass Nähe und Zusammenhalt wieder wachsen.

Dieses Video ist – laut Internet – von einem italienischen Fußballer- Danilo Calabrese. Er versucht, eine Antwort auf die Frage zu finden, warum das Virus da ist und die Krise ausgelöst hat.

Es ist natürlich menschlich, nach dem Sinn zu fragen. Aber ich finde es falsch und moralisch fragwürdig, das Virus als Antwort auf menschliches Fehlverhalten zu verstehen – Krankheit sozusagen als Strafe für böse Taten bzw. christlich gesprochen: für Sünden.  Gleichzeitig soll das Virus ein Mittel sein zur besseren Erkenntnis. Durch das Virus sollen wir erkennen, was richtig ist, und was wir tun müssen. Dass wir  nach der Meinung des Verfassers eine so schlimme Erkrankung brauchen, um etwas zu erkennen, das finde ich schon ziemlich zynisch.

Das Video erinnert mich daran, wie Krebspatientinnen und Krebspatienten im Krankenhaus sich oft selber die Schuld an ihrer Erkrankung geben. Im seelsorgerlichen Gespräch haben Sie mir erzählt, dass sie sich hätten anders verhalten müssen. Sie hätten z.B. alles immer in sich hineingefressen. Das sei falsch und habe zur Erkrankung beigetragen. Sie hätten ihre Krankheit also mitverschuldet. Das finde ich  schlimm und unbarmherzig. Ich bin froh, dass man heutzutage theologisch von dieser Art der Deutung weitgehend abgerückt ist.

In der Bibel steht nämlich etwas ganz anderes. Gott sei Dank. Jesus hat sich besonders der kranken Menschen angenommen.  Er hat Gelähmte geheilt, Aussätzige, psychisch Kranke und viel andere. In der Geschichte von der Heilung eines Blindgeborenen  fragen die Leute Jesus,  wer denn an der Blindheit schuld sei: die Eltern oder der Blindgeborene selbst. Jesus sagt, dass weder seine Eltern noch er selbst gesündigt haben.  Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Schuld und Krankheit.

Jesus ist auf unserer Seite im Kampf gegen Krankheiten. Und zwar gegen alle Krankheiten, auch im Kampf gegen Covid 19.                                       Natürlich schließt das nicht aus, dass die Coronakrise dazu führen, dass Nähe und  Zusammenhalt unter den Menschen wachsen und dass Missstände zum Guten verändert werden. Und wenn das so wäre, dann fände ich das toll.