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Sterbebett

Als mein Vater an Krebs erkrankte, ist die ganze Familie zusammengekommen. Ohne für uns erkennbare Vorwarnungen hatten die Metastasen im Gehirn innerhalb weniger Wochen dafür gesorgt, dass mein Vater nur noch bedingt ansprechbar war. Nun saßen wir im Wohnzimmer. Das Pflegebett, das die Sozialstation gebracht hatte, stand in der Mitte. Meine Brüder sprühten vor Ideen. Eine Mistelthearpie sei jetzt angebracht. Und da gebe es doch diese Spezialklinik in Heidelberg. Und man müsse unbedingt noch eine dritte und eine vierte Meinung zu Rate ziehen. Unser Vater müsse verlegt werden, hier könne er nicht bleiben.

Schon oft habe ich an den Betten Schwerstkranker gesessen. Das gehört zu meinem Berufsalltag. Diese Erfahrung hatte ich meinen Brüdern voraus. Und sie sagte mir: Wir sind hier nicht mehr an einem Krankenbett, sondern an einem Sterbebett. Es ist mir nicht leicht gefallen, aber ich habe meine Brüder und meine Mutter nach draußen gebeten. Dann habe ich ihnen vorgeschlagen, dass wir alles tun, um meinem Vater das Sterben so leicht wie möglich zu machen. Dass wir ihn aber nicht mehr quälen sollten mit der Verlegung in ein Krankenhaus oder durch weitere Therapien.

So ist es dann geschehen, auch wenn es für niemanden von uns einfach war, das Unausweichliche anzunehmen. Mein Vater hat noch ungefähr zwei Monate gelebt. Als er gestorben ist, waren meine Mutter und einer meiner Brüder gerade bei ihm. Friedlich und umsorgt ist er eingeschlafen. Ich meine immer noch, dass es eine gute Entscheidung war, dem Tod ins Auge zu sehen, keine zusätzlichen Behandlungen mehr zuzulassen und meinem Vater einfach beizustehen. Ob ein Mensch stirbt oder nicht, das haben wir nicht in der Hand. Aber ob er würdig und in Frieden und umgeben von Liebe und Fürsorge sterben kann – das haben wir in der Hand.