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Stärke

„Du bist so eine starke Frau, du schaffst das!“ – wie oft habe ich diesen Spruch gerade im letzten Jahr gehört, als es mir nicht immer gut ging. Das hat mir tatsächlich auch Mut gemacht. Wenn die mir alle zutrauen, dass ich mich schon am eigenen Schopf aus dem Schlamassel ziehen kann, dann wird da ja irgendwas dran sein, habe ich mir gedacht.

Auf die eigene Stärke zu vertrauen ist gut und wichtig. Aber es klappt halt nicht immer. Ich bin nicht immer stark, und ich will es auch gar nicht sein! Manchmal will ich zugeben können, dass ich auch schwach bin. Ich will getröstet und gehalten werden. Aber wenn mich ja alle für so stark halten, wo bleibe ich da mit meiner Schwäche?

Zuzugeben, dass ich irgendwo versagt habe oder dass ich Hilfe brauche, das fällt schwer – weil ja irgendwie alle zu erwarten scheinen, dass man schon selbst mit seinen Problemen klarkommt. Und wenn nicht, lässt man sich eben einen Therapeuten empfehlen oder übt eine neue Meditationstechnik, und dann geht das schon.

„Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ heißt es beim Apostel Paulus (2. Korinther 12,9). Das ist schöne Ermutigung, finde ich. Schwäche zu zeigen, das erfordert Stärke und Kraft, so paradox das auch klingen mag. Weil man eine Seite von sich preisgibt, die andere sonst nicht sehen sollen. Weil es bedeutet, zu vertrauen – auf Gott, auf sich selbst, aber vor allem auch auf diejenigen, denen man sich schwach zeigt.