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So fängt der Tag gut an

Mittwochmorgen, 7:10h: Auf dem Weg zur Arbeit denkt er an den Kollegen Schneider. ‚Wir müssen heut die Präsentation vorberei­ten. Bisher hat er mir die Arbeit überlassen. Aber heute wird er wie immer alles an sich reißen, damit er am Freitag beim Chef die große Show abziehen kann. Das wird ein Tag.‘

7:20h: der Firmenparkplatz ist mal wieder dicht. Also eigentlich nicht, aber die Schröder vom Einkauf parkt ihren dicken SUV über zwei Stellplätze. Gut, dann dreht er eben eine Runde durchs Wohn­gebiet, Park­platz suchen.

7:29h: grad noch pünktlich im Betrieb. Auf dem Flur kommt ihm der Hausmeister entgegen. Ob der irgendwann mal im Büro die Heizung entlüftet? Seit einer Woche hat er den Auftrag.

Um 7:30h betritt er das Büro. Er sagt: „Guten Morgen“. Und er denkt: ‚Guten Morgen – meine ich das wirklich so? Oder wünsche ich den Kollegen alles Mögliche, aber bestimmt keinen guten Morgen? Na, zumindest wünsche ich mir, dass der Morgen noch gut wird. Aber da ist noch mehr. An manchen Tagen ist‘s, als legte ich in dieses ‚Guten Mor­gen‘ meinen Wunsch, allen Ärger zur Seite zu schieben und diesen Tag neu anzufangen. Ich muss – nein, ich will mit den Leuten ja klarkommen. Und es wird vielleicht ein gu­ter Morgen, wenn ich nicht nachtragend bin. Ver­gebung ist ein großes Wort. Es klingt wahlweise nach Gro­schenroman – oder nach der Bibel. „Ich vergebe dir“, das klingt so dramatisch. Aber ist Ver­gebung nicht Alltagsgeschäft? Verge­bung passiert in vielen klei­nen Momenten jeden Tag.

Es ist immer noch 7:30h: Er sieht sich um. An der Garderobe hängt Frau Liessner gerade ihren Mantel auf. Sind die Spritzer vom Schneematsch? Sie ist gerade aus dem Bus gestiegen, als er so forsch ins Wohnge­biet abbiegen musste. Drüben am Fenster sitzt Peter bei der Arbeit. Der war schon zehn Jahre in der Firma, als man ihn auf den Posten holte, den Peter gerne gehabt hätte. Und gegenüber steht Franz, der schon Tage auf die Zah­len für das Angebot wartet, das er gestern rausschicken wollte.

7:30 und 30 Sekunden: Die Kollegen sagen: „Guten Morgen“ und er weiß, dass das Leben darf weitergehen darf.