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Simplify your life

Etwas Grundlegendes ändert sich in unserem Land. Immer mehr Leute versuchen, sich von
Unnötigem zu trennen; Ehrgeizige reduzieren ihren Besitz auf weniger als 1000 Dinge. Manche
ziehen auch ganz bewusst in kleinere Wohnungen – vielleicht in einem Mehrgenerationenhaus, wo
die Bewohner vieles teilen. Hochzeitspaare wünschen sich weder Wäsche noch Porzellan, sondern
Geld für ein Erlebnis auf der Hochzeitsreise. Erlebnisse sammeln, heißt die Devise- nicht Dinge.
„Simplify your life“. Auf deutsch: Vereinfache Dein Leben! Vor 10 Jahren erschien das gleichnamige
Taschenbuch des evangelischen Pfarrers Werner Tiki Küstenmacher. Und es verkauft sich immer
noch gut. Offenbar hat er den Nerv unserer Zeit getroffen. Es gibt eine Reihe von Folgetiteln und
auch einen regelmäßigen Newsletter. Da ist eine richtige Bewegung im Gang. Es hat sich
rumgesprochen, dass mehr zu haben, nicht bedeutet glücklicher zu werden. Wenn wir unser ganzes
Leben dem Gewinnstreben unterwerfen, verkehrt sich am Ende alles in einen Verlust. Verlust an
Lebensqualität. Immer mehr Wachstum ist weniger Nachhaltigkeit. Immer mehr Wettbewerb
weniger Gemeinwohl. Am Ende sinkt der gesellschaftliche Wohlstand- trotz wirtschaftlichem
Wachstum.
An der privaten Jacobs University in Bremen gibt es einen Forschungszweig zur „Geografie des
Glücks“. Eine Deutschlandkarte zeigt: Wohlbefinden und Zufriedenheit sind da am größten, wo es
gute und gut bezahlte Arbeit gibt, bezahlbaren Wohnraum, genug Tageseinrichtungen und Schulen
und attraktive Sport -und Kulturangebote. Und nicht zuletzt: wo das Zusammengehörigkeitsgefühl in
der Nachbarschaft stimmt. Wo der Nahverkehr eingestellt wird, organisieren Ehrenamtliche
Bürgerbusse. Nachbarschaftsnetzwerke für Demenzkranke entstehen. Und eine große
Einzelhandelskette lädt ein, eigene Behälter und Tütchen mitzubringen, um Abfall zu sparen. Schluss
mit der Produktion immer neuer Güter, heißt die Devise. Stattdessen: Teilen, mehrfach nutzen und
reparieren.
Zum Beispiel im sogenannten Sharehouse in Berlin. In dem schönen, hundertjährigen Haus in
Neukölln leben und arbeiten auf 5 Etagen Menschen, die gemeinsam anders leben wollen. Sie
kommen aus England und Deutschland, Syrien, Somalia, aus Schweden oder der Türkei. Die
Gemeinschaft finanziert sich durch die Vermietung von Räumen und Spenden. Das hauseigene
Catering serviert Gericht aus aller Herrn Länder. Solche Sharehäuser gibt es übrigens weltweit. Der
Leitgedanke: „Jeder Mensch ist einzigartig und kostbar, darum fördern wir uns gegenseitig in unseren
Fähigkeiten und Talenten. Wir helfen nicht, wir unterstützen einander auf Augenhöhe, denn keiner
ist besser als der oder die andere, und nur im Teilen sind wir wirklich reich.“.
„Ich habe hier gelernt, wie man tief leben kann“, sagt Ezra, eine der Bewohnerinnen des Berliner
Sharehouses. Sie nimmt damit einen Gedanken des amerikanischen Schriftstellers Henry David
Thoreau auf. Auch ihm ging es darum, ein einfaches Leben zu führen. Mitte des 19. Jahrhunderts zog
er in ein kleines Blockhaus im Wald. Er wollte sich Zeit zu nehmen für die Stille. Wahrnehmen, wenn
aus der scheinbaren Fülle Dürre wird.
Darum geht es auch heute. Wenn wir mit unserem Konsummüll die Umwelt zerstören. Wenn
Menschen sich nutzlos vorkommen, weil sie das Tempo nicht mehr mithalten. Oder wenn andere siespüren lassen, dass sie nicht dazu gehören. Es geht darum, unter die Oberfläche zu sehen. Das
Beispiel Sharehouse zeigt: Da ist etwas im Gang. Und das schon lange.
„Sammelt Euch keine Schätze, die Rost und Motten fressen“, sagt Jesus. „Sammelt Euch Schätze im
Himmel“. Simplify your life, sagen wir heute. Nicht nur, weil die Welt es braucht. Sondern, weil es
Dir guttut. Frag Dich einfach, was Dich selbst lebendig macht! Denn die Welt braucht Menschen, die
das neue Leben entdeckt haben.