Schwarzweißfoto

Das Brautpaar ist gerade aus der kleinen Kapelle herausgekommen. Alle haben gratuliert, nun bin ich nochmal dran. Nicht als Pfarrer, das war eben. Nein, nun als Fotograf. Das mache ich bei fast allen Paaren, die ich traue. Dafür habe ich meine 65 Jahre alte Mittelformatkamera: 2 kg schwer, solides Metall, präzise Mechanik. Läuft wie ein Uhrwerk.
Ich schaue von oben durch den Sucher der Kamera und komponiere das Bild auf der Mattscheibe. Einige schauen interessiert zu. „Kann man die Fotos gleich sehen?“, fragt der Brautvater. „Nein das braucht Zeit.“ Bei jeder der 12 Aufnahmen drehe ich die Kurbel, neu einstellen und dann kracht der Auslöser. Robuste Mechanik eben.
Die Bilder gibt es erst viel später. Sie sind zwar schon auf dem Film. Doch bevor sie sichtbar werden, muss ich einiges tun: ihn in absoluter Dunkelheit in eine Dose spulen. Mit chemischen Flüssigkeiten behandeln. Trocknen. Danach lassen sich die Bilder zwar schon sehen. Aber das sind erst die Negative. Was wir hell erwarten, ist darauf dunkel. Und umgekehrt. Nochmal Chemie in der Dunkelkammer, das Papier belichten. Und irgendwann ist schließlich das richtige Bild fertig. Es braucht Zeit, bis ein gutes Bild entsteht.
Ich suche aus den 12 Fotos das schönste aus, und setze es in einen Rahmen. Das Brautpaar bekommt es von mir später geschenkt. Da sind sie längst von ihrer Hochzeitsreise zurück. „Wunderbar!“, rufen sie, als sie es bekommen. Manches im Leben braucht eben Zeit – wie ein gutes analoges Schwarzweißfoto. Es lohnt sich. Nicht nur beim Hochzeitsfoto.