Schuld nachtragen
Ich habe mich total im Stich gelassen gefühlt von meinem Kollegen. In einer Notsituation hatte ich ihm um Hilfe gebeten. Doch statt mir zu helfen hat er mich einfach hängenlassen. So ganz nach dem Motto: Tut mir echt leid, dass Du da gerade so in der Klemme steckst. Aber da musst Du alleine mit klar kommen. Ich kann Dir leider nicht helfen. Lange, sehr lange habe ich dem Kollegen sein Verhalten nachgetragen.
Erst ein Seminar hat daran etwas geändert. Es ging dabei um das Thema Vergebung: Die Referentin hat mir klar gemacht, was geschieht, wenn man nachtragend ist und nicht vergeben will. Ich musste zum Beispiel hinter ihr herlaufen und sie hat mir Beleidigungen und jeweils auch ein Päckchen zugeworfen. „Du bist eine Null!“ habe ich gehört. Dann kam ein Päckchen geflogen. Ich musste es auffangen und der Referentin nachtragen. „Du bist zu Nichts zu gebrauchen!“ Und wieder: Paket auffangen und nachtragen.
Das war eindrücklich. Alle Teilnehmer hatten verstanden: Wenn ich anderen etwas nachtrage, schleppe ich Pakete, trage eine Last. Der, dem ich es nachtrage, merkt gar nichts davon. So wie in diesem Seminar, so war es auch mit dem Kollegen, der mir nicht geholfen hatte. Ich habe viele Monate nicht normal mit ihm umgehen können. Hab es einfach nicht hingekriegt, ihn nicht immer wieder als den zu sehen, der zu faul ist, einem Kollegen zu helfen. Für mich war das eine große Belastung. Gerne hätte ich ihm vergeben. Aber das war nun mal gar nicht so leicht. Inzwischen aber habe ich es kapiert: Einem Menschen, der mich verletzt hat, zu vergeben, heißt ja nicht, dass ich sein Verhalten akzeptiere oder ihm damit sogar etwas Gutes tue. Nein, überhaupt nicht! Ich bin nur nicht mehr bereit, ihm seine Schuld nachzutragen. Ich lasse meine Last los und tue mir damit etwas Gutes.
Das ist auch der Grund, warum uns Jesus Christus so deutlich dazu auffordert, immer wieder zu vergeben. Es geht nicht um den, der schuldig wurde, sondern um mich. Ich will keine Lasten mehr nachtragen – ich bin doch nicht blöd!