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Satzanfänge

Kennen Sie das Buch von Mariana Leky „Was man von hier aus sehen kann“? Oder die Verfilmung, die 2022 in die Kinos kam? Da gibt es einen Optiker, der sich nie traut seiner ewigen Liebe Selma zu sagen, was er seit Jahren für sie empfindet. Immer wieder will er ihr wenigstens in einem Brief seine Liebe erklären – aber über Satzanfänge kommt er nicht hinaus. Zum Beispiel: „Liebe Selma, dein Apfelkuchen war mal wieder unübertrefflich. Apropos unübertrefflich…“ oder: „Liebe Selma, es gibt da etwas, dass ich dir schon seit Jahren…“ Leider schafft er es tatsächlich nicht, seine Wahrheit auszusprechen. Aus Angst? Aus fehlendem Mut? Ich weiß es nicht.

Ich denke dabei jedes Mal auch an meine verpassten Chancen, an das, was ich hätte tun können und nicht getan habe. Jetzt am Jahresende besonders. Da gehe ich innerlich die vergangenen Monate durch. Ich bete dabei: Gott, lehre mich bedenken, dass ich irgendwann sterben muss, auf dass ich klug werde. Klug sein heißt für mich, genau zu überlegen, was ich wem sage. Und warum ich es sage. Klug sein heißt für mich auch, mir eine dankbare Haltung zu bewahren, weil dennoch so viel möglich war. Trotz allem. Vielleicht lohnt es sich, am letzten Wochenende dieses Jahres nochmal wichtige Sätze zu vollenden. Vielleicht beende ich das Jahr, in dem ich über meinen Schatten springe, und anderen wirklich zeige, was ich denke und was ich fühle.