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Raus aus der Filterblase

Am Anfang bin ich etwas unsicher, aber dann beginnt alles, wie Familienfeiern im Saarland so beginnen. Die anderen Gäste, be­packt mit Tupperschüsseln und Tabletts voll duftender Speisen, trudeln ein. Es gibt einen Happen zum Ankommen und etwas zu trinken. Ich spüre, dass ich willkommen bin. Ich halte ein Glas mit nach Minze duftendem Tee und reichlich Zucker in den Händen. Er wärmt mich und sagt mir zugleich: Diese saarländische Familien­feier ist etwas anderes, eine neue Erfahrung für dich.

Es ist ein Abschiedsabend. Die Mutter einer Freundin ist vor längerem verstorben. Aber nicht alle konnten zur Bestat­tung nach Algerien fliegen. Also hat die Freundin zu sich nach Saarbrücken eingeladen. Sie wollen sich als Familie wiedersehen, an die Verstorbene erinnern. Sie wollen Dankbarkeit und Trauer miteinander teilen und eine Stunde lang für sie beten. Aber sie wol­len auch feiern und fröhlich sein. Meine Freundin ist Muslima in der Tradition der Suffis und ich darf diesen besonderen Abend mit­erleben.

Zusammen leben ist für meine Freundin eine Herzenssache. Sie sagt: „Je mehr unsere Welt den Computer-Algorithmen folgt, die uns vor allem das präsentieren, was wir schon kennen. Je mehr wir vor allem mit solchen Menschen unsere Freizeit verbringen, die uns gleichen, desto mehr will ich diese unsichtbaren Grenzen der Fil­terblasen platzen lassen. Darum öffne ich meine Tür für andere.“

Zusammen leben, zusammen wachsen, so lautet auch das Motto der interkulturellen Wochen in Saarbrücken. Meine Freundin ist dort engagiert. Die interkulturellen Wochen bieten noch bis zum kommenden Donnerstag eine Vielzahl an Gelegenheiten, ein neues, ein unbekanntes Saarland zu entdecken.

Alle Angebote kann ich hier nicht aufzählen. Die Palette reicht von einer Jugendausstellung in der Stadtbibliothek bis zum geführten Rundgang über den Hauptfriedhof, der Einblick in die unterschiedlichen Bestattungskulturen bietet. Sie reicht vom Gottesdienst zusammen mit der Gemeinschaft der Bahaii bis zum Tag der offenen Tür in der alevitischen Moschee. Alle Hinweise finden Sie unter www.saarbruecken.de/ikw.

Zusammen zu leben finde ich spannend. Der Abschiedsabend für die Mutter meiner Freundin wird mir noch lange in Erinnerung bleiben, als kostbares Stück ihres Glaubens, den sie mit mir geteilt hat, und als die etwas andere, saarländische Familienfeier.