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Radikal für Frieden

Politikunterricht Anfang der 80er: Es geht um Abrüstung. Eine aus meiner Klasse ruft empört: „Wir müssen uns radikal für Frieden einsetzen!“ Ich bin starr vor Bewunderung. Wie kämpferisch sie ist, wie engagiert und unerschrocken! Wenn ich sie heute daran erinnere, lacht sie sich schlapp. „Radikal“ und „Frieden“, was für ein Begriffspaar! Aber um Frieden geht’s mir heute noch!

Aber wie geht das? Sich um Frieden bemühen?

Eine freundliche Antwort dämpft den Zorn, heißt es in Salomos Sprüchen. Wie wahr!

Vor 50 Jahren bekommt Willy Brandt den Friedensnobelpreis verliehen– für seine Ostpolitik. Mitten im Kalten Krieg sagt er: Die Mauer ist da, also lasst uns dafür sorgen, sie ein bisschen durchlässiger zu machen. Wandel durch Annäherung. Von vielen wurde er dafür angefeindet. Trotzdem hat er den Nobelreis gekriegt. Unfriede, sagt er, ist ein anderes Wort für Unvernunft, und Kriege gehören abgeschafft.

Ach, was sind das für schöne Töne aus dem Mund eines Staatsmannes! Frieden, Versöhnung, Entspannung. Das ist kein Weichei-Vokabular, sondern ganz im Gegenteil. Man muss ganz schön groß sein, um sich das zu trauen.

Kennen Sie die Geschichte von Josef und seinen Brüdern? Josef, von den Brüdern in eine Grube geworfen, als Sklave verkauft, Karriere gemacht am Hof des Pharaos. Als seine Brüder viele Jahre später als Bittsteller zu ihm kommen, ohne ihn zu erkennen, ist er nicht wütend auf sie. Denn im Rückblick fügt sich ja alles. Das Böse erweist sich letztendlich als gut.

Zum Versöhnen gehört Größe. Der Umkehrschluss darf ruhig gezogen werden: Wer spaltet, ist in Wahrheit winzig.