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Puppe im Schrank

 

Die Photographin Sandra Hoyn hat eine Woche lang einen Puppenbesitzer begleitet. Also, nicht irgendeinen, sondern so einen scheinbar total durchgeknallten, der mit einer Sexpuppe lebt wie mit einer Frau. Sie hat Fotos gemacht und ausführliche Gespräche geführt.

Dabei stellte sie fest: Dieser Mann geht einem Beruf nach, er wohnt in einem Reihenhaus, die Wohnung ist aufgeräumt, er kocht, wäscht, pflegt sich, hat Gedanken wie jeder andere, kennt auch die Sehnsucht nach einer richtigen Partnerin. Aber die ist nun mal nicht vorhanden, obwohl er nicht schlecht aussieht. Der einzige Unterschied zu anderen Männern ist die Puppe. Sie schläft bei ihm im Bett, er wäscht und pudert sie, tagsüber sitzt sie in einem Rollstuhl, er redet mit ihr beim Essen, und bevor er weggeht, verabschiedet er sich von ihr. Verrückt?

Nach einer Woche, bekennt die Photographin, sei ihr alles Mögliche zu diesem Mann eingefallen, nur kein Wort, welches abartig, pervers oder gefährlich bedeutet. Sie hat ihn gefragt, warum er sich keine richtige Freundin sucht. Seine Antwort: Er möge Frauen, aber er hab Angst vor Streit. In früheren Partnerschaften sei er zu oft verletzt worden. Er scheint nie gelernt zu haben, einen Konflikt zu lösen. Ängstlich zieht er sich zurück vor allem Bedrohlichen. Die Puppe dagegen macht nie Stress.

So betrachtet, ruft diese vielleicht bizarre Lebensform bei mir eher Mitgefühl hervor als Kopfschütteln und Abwehr. Es macht ohnehin keinen Sinn, Verbotstafeln aufzustellen wie frühere Generationen. Sexualität braucht zwar Regeln, aber keinen detaillierten Verhaltenskodex. Ob alle Beteiligten vor Gewalt, Missbrauch, Ausbeutung geschützt sind und ob das Verhältnis allen Seiten gerecht wird – das muss der Maßstab sein. Und nicht, ob jedem alles gefällt, was da passiert.

Die Bibel ist leider nicht immer hilfreich, wenn es um moralische Orientierungen geht. Die Vielehen der Erzväter im Alten Testament können uns kaum Vorbild sein. Und die Verurteilung von Homosexualität durch Paulus hatte vor allem kulturelle Gründe – mit Auswirkungen bis heute. Gott hat uns Menschen offenbar mit vielen Möglichkeiten zur Gestaltung unseres Lebens ausgestattet. Wir müssen sie selbst verantworten.