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Public singing

Morgen startet die Fußball-EM. Unsere Nationalmannschaft hat sich schon am letzten Freitag eingestimmt. Im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich mit einem Geburtstagsständchen für Mario Götze. Nein, ich lade Sie nicht ein, das Video im Internet zu hören. Ein jeder weiß, der Gesang unserer Elf hat sich seit Beckenbauers Jugend nicht wesentlich entwickelt. Aber ich finde es bemerkenswert, dass die Spieler überhaupt singen. Auch wenn sie eben nicht perfekt sind. Sollte denn nur singen, wer es gut kann?

Um den Mut zu eigenen Tönen ging es heute auch beim saarländi­schen Tag der Schulmusik. Schulchöre aus dem ganzen Land haben am Nachmittag ihre Kunst zum Besten gegeben. Ihr Motto: Zeig Stimme! Vielleicht ist es Jogis Jungs in ihrer Schulzeit ergangen wir mir: da war Singen Fehlanzeige. Wer aber in der Jugend nicht singt, weder in der Schule noch privat, der hat es als Erwachsener schwer, sich zu trauen. Denn wer singt, wird für die anderen hörbar. Und nicht jeder Erwachsene möchte auf diese Weise auffallen.

Als Pfarrer spüre ich manchmal die Unsicherheit im Gottesdienst, wenn eine volle Kirche kaum zu hören ist. Oder wenn eine Hochzeit zur Trauerfeier wird, weil die Gäste nur stumm dasitzen, selbst bei bekannten Liedern. Schade! Doch der Trend scheint sich zu drehen. So zeigt der heutige Tag: In saarländischen Schulen wird wieder gesungen. Und nicht nur da. Bei der Nacht der Kirchen waren zu Pfingsten besonders die Veranstal­tungen zum Mitsingen richtig gut besucht. Auch in Fußballstadien wird nicht mehr nur gegrölt. Fast jeder Bundesligaclub beginnt seine Heimspiele mit einem Fan-Song, den viele mitsingen. Und auch wer keine Stimme wie Adèle besitzt, traut sich, ein paar Takte aufzunehmen und ins Internet zu stellen.

Ich wünsche mir mehr davon. Denn Singen ist eine Gabe Gottes, die dem Menschen einfach gut tut. So viele Gefühle, die man nicht mit Worten fassen kann, lassen sich singend zum Ausdruck bringen. Singen steckt an. Wer mit anderen singt, erlebt Gemeinschaft. Und neben dem Gebet ist der Gesang wohl die elementare Form, seinen Glauben zu äußern. Darum nur Mut: Sin­gen Sie mal wieder! Ob allein oder mit anderen, ob in der Schule, in der Kirche, beim Duschen, im Auto oder draußen. Zeigen Sie Stimme!

Morgen Abend also ist Anpfiff zur EM. An vielen Orten auch wieder für das public viewing. Wenn die Tore auf der richtigen Seite fallen eine gute Gelegenheit, die eigene Stimme wiederzuentdecken, als public singing.