Postkarte

Ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag, an dem ich in der Sonne auf unserem Balkon eine Postkarte an einen schwerkranken Freund geschrieben habe. Ich habe ihm in kurzen, wenigen Sätzen mitgeteilt, was ich an ihm mag und was er mir bedeutet. Die Postkarte hat ihn nicht mehr erreicht. Er ist genau an diesem Tag gestorben. Noch bevor ich die Karte eingeworfen habe, kam der Anruf.
Ich konnte nicht fassen: die ganze Welt drehte sich weiter, als wäre nichts passiert. Am liebsten hätte ich allen zugerufen: „Ein großartiger Mensch ist gestorben! Bleibt stehen, schweigt und hört mal auf mit eurer Geschäftigkeit!“
Als Jesus am Kreuz gestorben ist, da hat sich die Sonne verfinstert und der Vorhang im Tempel ist in zwei Teile gerissen. Das ist ein starkes Bild! Genauso hat sich meine Trauer angefühlt!
Morgen, am Ostersonntag, feiern Christinnen und Christen die Auferstehung Jesu. Er hat seine Freunde gesammelt und getröstet, so wird in der Bibel erzählt, und ihnen aufgegeben, das zu tun, was sie bei ihm gesehen haben. Auch, wenn viele Menschen damals und heute nicht an die Auferstehung glauben: Es ist und bleibt ein starkes Bild. Ideen und Lebenswerk bleiben. Über den Tod und die Trauer hinaus. Das Feuer der Liebe allen Menschen gegenüber bleibt. Und dieser Jesus bleibt vielen Menschen ein Vorbild, auch mir.
Die Postkarte habe ich nicht weggeworfen. Sie hängt seit damals an der Pinnwand über meinem Schreibtisch. Sie erinnert mich über den Tod und die Trauer hinaus an meinen lieben Freund.