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Ort der Erinnerung

Wisst Ihr, wie und wo ich Lesen gelernt habe? Nein, eben nicht in der Grundschule, sondern auf dem Friedhof.

Als Kind habe ich oft meine Oma begleitet, wenn Sie auf den Friedhof gegangen ist, um die Gräber der verstorbenen Verwandten zu pflegen. Sie hat gegossen und gepflanzt und ich bin durch die Reihen geschlendert und habe versucht zu lesen, was auf den Grabsteinen steht. Die Namen und manchmal auch Worte des Abschieds. Meine Oma konnte mir zu jedem der Verstorbenen Geschichten erzählen. Wer sie waren, wo und wie Sie gelebt haben. So wurden diese Buchstaben auf den Grabsteinen schnell mit lebendigen Erzählungen verbunden und sind bis heute fest in meiner Erinnerung.

Ich erzähle Euch davon, weil heute der Tag des Friedhofs ist. Er soll dazu ermutigen, einfach mal so auf einen Friedhof zu gehen. Gar nicht unbedingt, um ein bestimmtes Grab zu besuchen – natürlich kann man das auch- aber diese Orte der Stille sind nicht nur Orte zum Trauern, sondern auch um einfach mal Ruhe zu finden, in sich zu gehen und im besten Fall aus Erinnerungen Hoffnung zu schöpfen.

Ich hab mir fest vorgenommen, heute mindestens einen Friedhof zu besuchen. Vielleicht nehm ich mir sogar ein Buch mit und erinnere mich – ans Lesen lernen und an meine Oma.