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Omas Rezept – oder: Küche, Kuchen, Kirche

„Man treibe ein Viertelpfund Butter schaumig ab, gebe 2 Eier, 100 Gramm Zucker, 2 Pfund Mehl, genügend Milch und um einen Groschen Hefe hinzu und schlage den Teig.”

Das klingt eindeutig deutsch. Aber: Haben Sie das verstanden? Wie treibt man Butter ab? Was ist „genügend Milch“? Was wäre zu viel, was zu wenig? Und wie rechnet man Groschen in Hefe um?  Das Rezept stammt aus dem Kochbuch, das meine Oma von ihrer Oma geerbt hat. Sie hätte nie dieses Kochbuchkauderwelsch gesprochen, aber verstehen wollte sie es. Und sie hat es geschafft. Schließlich entstand nach diesem Rezept ein Kuchen, und der schmeckte ausgezeichnet. Mal angenommen, ich wollte heute, über hundert Jahre später, Omas Kuchen backen. Da müsste ich erst mal nachdenken und wohl auch ein bisschen probieren. Dann stehen die Chancen nicht mal schlecht.Aber worauf will ich wohl hinaus mit dieser Küchen- und natürlich auch Kirchenplauderei?

Zum einen: Rezepte von gestern und vorgestern passen heute nicht ohne weiteres: In der Küche nicht und in der Kirche erst recht nicht. Das heißt aber nicht unbedingt, dass die Rezepte schlecht sind. Zum andern: Daraus folgt: Ich muss die alten Rezepte übertragen, in meine Sprache, mein Leben, meine Möglichkeiten. Und schließlich: Das Rezept allein bringt wenig. Ich muss etwas Rechtes anfangen damit.

Damit habe ich auch das beschrieben, worum es der Reformation ging. Übermorgen wird sie 500 Jahre alt. Bei ihr gilt es auch, Vieles zu entdecken, was auf den ersten Blick vielleicht alt, verstaubt und überholt aussehen könnte – aber deshalb nicht schlecht ist. Fertig ist die Reformation nie. Und es tut ihr gut, wenn sie immer wieder frisch entsteht. Wo das geschieht, kann auch Kirche schmecken – genau wie Omas frischer Sonntagskuchen.