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Nur keine falsche Bescheidenheit

Meine Freundin sitzt miesgelaunt vor mir und erzählt: Dass ich so weit gekommen bin, das war nur
reines Glück. Schon mein Abi. Die Lehrer haben über Jahre einfach nur nicht gemerkt, wie unfähig ich
eigentlich bin. Dann das Studium. Naja, einige Professoren mochten mich halt ganz gerne, die guten
Noten, reiner Zufall, vielleicht sogar ein bisschen Mitleid. Jetzt im Beruf, die Stelle, das weißt du
genauso gut wie ich, habe ich nur bekommen, da der zuständige Abteilungsleiter jemanden kannte,
der wiederum jemanden kannte….

Ich merke, wie die Wut in mir hochsteigt. So war es immer schon, denke ich. Das sind genau die
Leute, die in der Schule immer behauptet haben, sie hätten überhaupt nichts gelernt oder kapiert
und die dann unter den besten waren. Die vorher alle verrückt gemacht und dann doch mit Bravour
bestanden haben. Total anstrengend und ungerecht denen gegenüber, die wirklich Schwierigkeiten
hatten.

Und doch kann ich das auch nachvollziehen, diese Selbstzweifel meiner Freundin, ich bin manchmal
ganz genauso. Manchmal muss ich dann an meinen Konfirmationsspruch denken, der übrigens auch
der meiner Freundin ist.

„Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man
zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Becher, sondern auf einen Leuchter, so
leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten
Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“

Als ich den Spruch am Tisch mit meiner Freundin zitiert habe, gucken wir uns an und prusten dann
los vor Lachen. Wir beschließen, unser kleines Licht mal öfter anzuknipsen und uns über das zu
freuen, was wir bisher geschafft haben, und ja, die Freude darüber lässt uns strahlen und irgendwie
steht uns beiden das auch viel besser.