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Nur ein Mensch

Ich bin doch auch nur ein Mensch. Sagen Sie das manchmal auch? Der Ausruf soll wohl sagen:  Ich bin so, wie ich bin. Wenn ich etwas Falsches oder gar Böses getan habe, dann konnte ich nicht anders. Man könnte den Satz allerdings auch absichtlich missverstehen: Ja, das sehe ich. Du bist nur ein Mensch. Aber dieser eine Mensch hat doch viele verschiedene Gesichter.

Der Berufsmensch, der nach der Pfeife des Chefs tanzt, auch wenn da ganz krumme Sachen laufen. Der Lebenspartner. Der Familienmensch mit Kindern, Enkeln, Eltern, Großeltern. Für wen ist man da, wenn’s schwierig wird? Wie sieht es aus mit Freunden, Nachbarn, Bekannten? Denke ich nur an mich, oder behalte ich auch ihre Interessen im Auge? Wie ist das mit Fremden, denen ich z.B. als Autofahrer auf der Straße begegne und die ich mit einer kleinen Unachtsamkeit umbringen kann, auch ohne böse Absicht?

Ständig wechselt die Szene. Und jedes Mal bin ich ein anderer Mensch. Was verbindet all die Personen, die ich an einem einzigen Tag bin? Was hält mich zusammen? Und was wird daraus, wenn es um wildfremde Leute geht, irgendwo auf der Welt? Die von Kindesbeinen bis zum Tod als Sklaven arbeiten, damit wir Reichen was zum Wegwerfen haben? Oder die uns jetzt ganz nah kommen, von weit her, auch deshalb, weil dort in unserem Namen die Welt in Unordnung gebracht wurde?

Eine zentrale Forderung des christlichen Glaubens ist, sie alle als unsere Nächsten zu lieben. Nicht irgendwie gern zu haben. Zu lieben! Wenn ich diesen Maßstab anlege, sind es unzählbar viele, denen ich etwas schuldig bleibe. Ich tue nicht das Menschenmögliche. Ehrlich gesagt: Ich versuche es nicht mal ernsthaft. Aber ich bin doch auch nur ein Mensch.