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Nikolaus

Als ich die Wohnung verlasse, um zur Arbeit zu fahren, schaut mir ein kleiner Schokoladennikolaus entgegen.    „Ach ja“, denke ich, „stimmt. Heute ist Nikolaus. Wie nett –irgendjemand hat mir einen kleinen Nikolaus vor die Tür gestellt.“ Ich hebe ich auf und muss an einen Urlaub in der Türkei denken. Vor vielen Jahre ist das her.

Da war ich in dem Ort, in dem der Nikolaus gelebt hat, nämlich in Myra.  Nikolaus war Bischof von Lykien in Kleinasien. Um 350 ist er gestorben.  Mit der Reisegruppe waren wir in der Kirche von Nikolaus. Dort steht sein zerbrochener Sarkophag. Die  Gebeine von Nikolaus wurden um 1000 aus dem Sarkophag gestohlen und von Piraten nach Bari in Italien gebracht. Dort hat man ihm zu Ehren auch eine Kirche errichtet.

Heute wäre Nikolaus ein Türke. Denn der Ort, an dem er gewirkt hat, liegt in der heutigen Türkei. Andererseits: Um 350 hat der Ort zum römischen Reich gehört. Von daher war er ein Römer. Und am Ende ist er vielleicht doch Italiener. Denn seine Gebeine liegen der Überlieferung nach schließlich in Bari.
Aber wie dem auch sein. Eins steht fest: Von uns aus betrachtet ist Nikolaus definitiv ein Ausländer.

Mein Blick fällt auf den Schokoladennikolaus in meiner Hand. „Du bist ja auch nicht von hier. Deine Schokolade kommt doch aus Afrika“, denke ich.  Und dann fallen mir die vielen anderen Dinge ein, die ich in der Advents- und Weihnachtszeit gerne esse und trinke und die nicht alle von hier sind: Apfelsinen, Mandarinen, Zitronen, Kaffee, Tee, alles wird aus dem Ausland importiert. Die Gewürze Zimt, Kardamon, Nelken und wie sie nicht alle heißen, sind auch nicht von hier. Ohne Gewürze keine Pfeffernüsse, Spekulatius und Zimtsterne und auch kein Christstollen. Und selbst die tolle Gans, der Weihnachtsbraten, ist aus Polen. Ja –sogar der heilige Martin, der seinen Mantel mit dem Bettlergeteilt hat, ist ein gebürtiger Ungar, der in Frankreich gelebt hat. Was wäre, wenn es das alles in der Advents- und  Weihnachtszeit und auch sonst nicht mehr gäbe?  Wenn wir selbst auf Maria und Josef und Jesus verzichten müssten?  Sie stammten aus Israel und haben unter römischer Besatzung gelebt.  Also waren auch sie Ausländer.

„Guten Morgen. Einen schönen Nikolaustag“, höre ich da auf einmal die Nachbarin sagen. Ich wache aus meinen Überlegungen auf und bin froh, dass es nur Gedanken waren. Die Vielfalt ist es doch, die unsere Welt so schön macht.