Beiträge

Nicht von oben herab

Von oben diktieren lässt sich nichts. Auch nicht in der evangelischen Kirche. Ich bin jetzt seit fast 14 Jahren Superintendent, das heißt: Ich leite einen Kirchenkreis. Knapp 80000 evangelische Christen gehören dazu.

Was ich in dieser Zeit gelernt habe, ist vor allem: Nichts ist tragfähig, was von oben verordnet wird. Erst recht nicht, wenn es gegen den Willen der Betroffenen geschieht.

„Wie willst du denn dann sinnvoll leiten?“, werde ich manchmal gefragt. „Muss man nicht auch mal eingreifen und sagen, wo es lang geht?“

Ich verweise dann immer wieder auf die Kultur und die Tradition der evangelischen Kirche. In ihr entscheidet nicht einer für alle. Schon seit den Anfängen im 16. und 17. Jahrhundert ist das Ziel, solange gemeinsam um Entscheidungen zu ringen, bis möglichst viele mit auf den Weg genommen waren.

Und die Leitungen der evangelischen Kirchengemeinden sind seit vielen Jahrhunderten von der Gemeinde gewählte Gremien. Da entscheidet nicht der Pfarrer oder die Pfarrerin, sondern alle gewählten Mitglieder der Leitung. Jede und jeder hat nur eine Stimme, auch die Pfarrerin oder der Pfarrer. Entscheidungen sollen möglichst einmütig gefasst werden. Das heißt also nicht mit hauchdünnen Mehrheiten, sondern erst wenn möglichst viele einverstanden sind.

Umständlich ist dieses Verfahren und manchmal dauert es lange, sehr lange, bis es zu einer Entscheidung kommt. Aber das Ergebnis zeigt in der Regel, dass sich die Geduld lohnt.

Was für die evangelische Kirche gilt, das gilt auch für unsere Gesellschaft. Davon bin ich überzeugt. Nur Entscheidungen, die auf einer breiten Basis stehen und die gemeinschaftlich errungen wurden, eröffnen Zukunft.