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Mittagspause

Mittagspause. Ich nutze die Gelegenheit. Draußen scheint die Sonne und so laufe ich ein paar Schritte an der Saar entlang.

Mir entgegen kommt ein etwa 30-jähriger Mann, an der Hand ein kleines Kind, vielleicht drei oder vier Jahre alt. Er hält es an der Hand und während sie langsam vorankommen, scheinen sie in ein wichtiges Gespräch vertieft. Ein inniges Bild. Am Gang, an den Haaren und den Gesichtszügen erkenne ich beim Näherkommen: Vater und Sohn.

Die beiden gehören zusammen. Der Vater ist im Sohn erkennbar. Der Sohn ist im Vater erkennbar. Und die beiden erkennen sich auch. Man sieht es ihnen an. Fröhlich lächelnd sind sie miteinander unterwegs.

Dieses vertraute Miteinander schwingt in mir nach. Eine Vertrautheit, die ich auch kenne. Und bei solchen Erinnerungen an meinen Sohn und meine Tochter  lächele ich. Solch eine Vertrautheit ist etwas Besonderes. Sie berührt das Herz und augenblicklich fühlt man sich glücklich.

Gefühle der Verbundenheit sind nicht nur zwischen Vater und Sohn oder Mutter und Tochter möglich. Es ist ein Grundgefühl, ein Basiswissen unserer Seele, dass zwischen Menschen entstehen kann. Dazu braucht es nicht zwingend eine leibliche Verwandtschaft.

Wie kann eine solche Vertrautheit unter uns Menschen gelingen? Aus Erfahrung weiß ich, dass sie leichter gelingt, wenn ich entspannt bin, oft spontan, manchmal einfach durch ein Lächeln in der Straßenbahn, eine Hand, die mir hilft oder ein freundliches Wort. Darin kann diese tiefe Verbundenheit, die grenzenlose Verwandtschaft unter uns Menschen erfahrbar werden.

„Wir reichen einander die Hände, miteinander verwandt, weit jenseits der Unterschiede von Herkunft, Nation und Klasse“, heißt es im „Gelübde der Menschheit“ des Japaners Shin-íchi Hisamatsu.

Ja, dies ist eine Wirklichkeit, die zu uns Menschen gehört. Zu uns, den Kindern Gottes. Erkennen wir diese Verwandtschaft ab und an oder ist unser Sehen eher überdeckt von eigenen Bildern und Ängsten? Erleben wir uns auf einem gemeinsamen Weg durch die Zeit auf diesem kleinen verletzlichen Planeten? Erkennen wir unsere Verwandtschaft noch in dieser Gesellschaft, mit den Nachbarn, unter Freunde oder gar in der Familie?

Ich meine: Nein, dies geschieht zu selten! Unser Blick fällt schnell auf die Unterschiede und das Trennende. Wir werten und bewerten in der Gewissheit unserer Wahrnehmung. Die eigene Interpretation rutscht so schnell über die neugierige Suche nach Verbindung.

Wie kommen wir, in Gottes Namen, vom Übersehen zum Sehen? Wie kann es uns gelingen, die Verwandtschaft unter uns Menschen für unser Miteinander zu nutzen? Ich habe dazu keine Antwort. Mein Blick fällt leichter auf das Gegeneinander als auf das Miteinander.

Manchmal wünsche ich mir so eine Art Medikament, das ich morgens aus meiner Pillenbox nehmen könnte.  Samstag steht für diesen Tag drauf. Ich nehme die Medizin und als die Wirkung einsetzt, fällt mein Blick auf die Verwandtschaft, auf die Gemeinschaft, die uns Menschen verbindet. Ich lächle. Ja, es ist schwer, über diese Hürde zu kommen und frei zu sein. Frei und offen. Nein, das heißt nicht, dass man keine Grenzen setzt. Aber frei und offen zu sein für eine Welt, in der Menschen mehr denn je auf der Suche sind, nach dem, was verbindet, unterstützt und trägt in eine gemeinsame Zukunft.

Nein, ich habe kein Medikament. Ich weiß, dass Pausen hilfreich sind. Wie diese Mittagspause. Innehalten hilft, weil wir dann besser sehen und hören.  Mut, die Verbindung und Gemeinschaft  zuzulassen, hilft auch. Daran kann ich mich selbst nur erinnern oder darauf hinweisen. Das habe ich hiermit getan.