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Messie

Ich betrete eine Wohnung, überall liegen Wäschestücke rum. Dazwischen angefangene Getränkepackungen, leere Schachteln, Bonbonpapier und Zeitungen. Messie, denke ich. So ein Mensch, den ich bedauere, weil er augenscheinlich sein Leben nicht auf die Reihe bekommt, nicht unterscheiden kann zwischen wichtig und unwichtig, nicht die Kraft hat etwas aus eigenem Antrieb wegzuwerfen. Irgendwie hat der keine Ordnung im Leben.

Bei näherem Hinsehen und Hinhören vor allem, offenbart sich dann eine andere Wahrheit. Grund für die Unordnung ist ein schwerer Schicksalsschlag. Der Mann, der hier wohnt, war wegen einer Krankheit zeitweise gelähmt. Wochenlang konnte er nur mühsam morgens aufstehen, irgendwas essen und nichts wirklich tun. Und in dieser Zeit hat sich der Müll angehäuft und mit der Unordnung, die in seinem Leben entstanden ist, ist er auch nicht zurechtgekommen. Das Chaos bleibt – in ihm und um ihn herum. Mitten in der Unordnung ist mir dann eingefallen, was Jesus mal gesagt hat, nämlich: „Wie kommt es, dass Du den Splitter im Auge Deines Gegenübers siehst, aber den Balken in deinem Auge nicht bemerkst?“

Oft messe ich Menschen daran, was ich für richtig und wichtig halte. Ich habe da anscheinend ein festes System, wie ein Mensch leben sollte und diesen Maßstab lege ich an Andere an und werde ihnen damit natürlich nicht gerecht. Ich bin kein Messie, aber vielleicht bin ich so ein Typ, der Anderen das Leben schwer macht, weil er immer schon weiß, was richtig ist. Vielleicht kann man ja lernen damit umzugehen, dass ein lieber Mensch ein Messie ist, vielleicht kann man sogar lernen damit zu leben, dass man selber Messie ist. Aber mit Menschen, die einem immer wieder neu erzählen, was ich jetzt machen muss, und dass so wie ich lebe bestimmt nicht in Ordnung ist und ich mich damit auch gar nicht wohl fühlen kann, das kann ich nicht.

Ich habe mir deshalb vorgenommen, etwas an mir zu ändern. Ich möchte meine Mitmenschen nicht mehr nach meinen Maßstäben beurteilen sondern mit dem einen Maßstab, der bei Jesus gilt, dem Maßstab der Liebe, die den Menschen nicht zu einem Bild formen will, sondern ihm sein Wesen belässt, auch wenn er eigenartig ist.