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Menschlichkeit

Menschlichkeit. Er verlangt Menschlichkeit. Der rechtsradikale Massenmörder Anders Breivik, der im Juli 2011 in Oslo und auf der norwegischen Ferieninsel Utøya 77 zumeist junge Menschen ermordet hat, klagt gegen Norwegen. Seine Haftbedingungen seien unmenschlich. Er werde in Isolationshaft gehalten, dürfe kaum Besuche haben. Internet, freies Telefonieren, das alles werde ihm vorenthalten. Seit Dienstag läuft der Prozess. Für morgen wird das Urteil erwartet.

Darf ein Massenmörder Menschlichkeit verlangen? Darf einer, der so unmenschlich gehandelt hat, für sich die Achtung der Menschenrechte und der Würde des Menschen reklamieren?

Die Würde des Menschen ist unantastbar, so steht es als Leitgedanke über unserem Grundgesetz. Selbst die abscheulichsten Taten können die Würde des Menschen nicht zerstören. Nicht die Würde anderer und auch nicht die eigene. Menschenwürde, das ist der philosophische Begriff für einen alten religiösen Gedanken der jüdisch-christlichen Tradition. Dass wir nämlich nach dem Bilde Gottes geschaffen sind. Das heißt nicht, dass wir so aussehen wie Gott oder er wie wir. Es heißt, dass Gott den Menschen als sein Gegenüber, als Partner geschaffen hat. Gleichsam auf Augenhöhe. Das macht sich keiner selbst. Das kommt uns zu.

Auch Anders Breivik. Ja, er darf Menschlichkeit verlangen. Der Prozess hat übrigens deutlich gemacht, dass sie ihm ganz offensichtlich auch nie verweigert wurde. So durfte Breivik zum Beispiel regelmäßig mit einer Freundin telefonieren und hat auch die Möglichkeit gehabt, an Sport- und anderen Freizeitaktivitäten teilzunehmen. Die Norweger haben zu keinem Zeitpunkt zugelassen, dass ihre Gesellschaft durch Anders Breivik unmenschlicher geworden ist. Diesen Triumpf haben sie dem Massenmörder nicht gegönnt.

Ihre Menschlichkeit bewahrt hat sich auch Lisbeth Røyneland. Sie verfolgt den Prozess für eine Gruppe von Angehörigen der von Breivik ermordeten Menschen. Ihre Tochter Synne war ebenfalls ein Opfer des Massenmörders. Den Angehörigen der Opfer hat Royneland geraten, sich von dem Prozess nicht gefangen nehmen zu lassen, sondern sich stattdessen für diese Tage „etwas Schönes vorzunehmen“. Respekt.