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Luther und der Riesenkürbis

„Einunddreißigster Oktober? Hat da nicht Martin Luther den Riesenkürbis getötet?“

Ich unterrichte Religion. Luther und den Riesenkürbis musste ich zwar noch nicht auseinanderhalten – die ahnungslose Antwort stammt aus einem Cartoon. Aber der Moment wird kommen.

Religiöse Bildung, das hieß einmal: Vertraut sein mit der eigenen und mit anderen Religionen. Halloween entstand zum Beispiel, als die Iren Christen wurden. Da ging es nicht nur um „Süßes oder Saures“. Mit den bösen Geistern trieben sie im Grunde ihre Lebensängste aus. Und der Reformationstag erinnert an einen der richtig großen Wendepunkte unserer Geschichte. Luthers Protest gegen kirchliche Missstände ließ Menschen plötzlich selbst bestimmen, was sie glauben. Und in der Folge wurden sie auch politisch mündig.

Spannend, aber heute ist religiöse Bildung noch mehr. Die Krise der Kirchen lässt religiöse Weltdeutungen nicht einfach verschwinden. Im Gegenteil: Sie werden mehr und vielfältiger.

Manche Traditionen kommen neu zu uns und sind zu respektieren. Dann muss man Regeln für ein gutes Zusammenleben finden. Andere Ansichten machen unfrei, oder sie gefährden das Menschenbild, das unsere Gesellschaft trägt. Dann müssen Grenzen her. Und welche gute Hoffnung kann die Kids von heute in Krisen stärken und trösten?

Religionsunterricht hilft, sich kompetent und klar zu positionieren. Er erschließt eine Welt von Bildern und Symbolen, die viele kaum kennen, obwohl sie ständig da ist – in uns und um uns. Diese Welt zu ignorieren, hilft nicht. Dann wird sie unerwartet aufbrechen, wie zum Beispiel vor gut zehn Jahren, als junge Erwachsene aus Westeuropa reihenweise dem islamischen Staat auf den Leim gingen und in Syrien eine Macht aus Angst und Terror aufbauten.

Religionsunterricht vermittelt Werte. Er schützt vor Extremismus und stärkt die Demokratie. Das leisten sicher auch andere Fächer, aber diese zielen nicht auch auf religiöse Bildung.

Schülerinnen und Schüler schätzen übrigens am Fach Religion gerade die Freiheit, nicht von irgendeiner Meinung fremdbestimmt zu werden, sondern mit ihren eigenen Ansichten und Fragen ernst genommen zu sein.

Ganz im Sinne Martin Luthers, der wollte, dass sich jeder Mensch selbst ein Bild der Dinge machen kann. Religiös gesprochen hat Luther tatsächlich eine Art Riesenkürbis besiegt, eine Macht aus Unwissenheit und Angst – allein durch religiöse Bildung.

 

Link zur Mediathek: https://www.ardmediathek.de/video/aus-christlicher-sicht/aus-christlicher-sicht-31-10-2024/sr/Y3JpZDovL3NyLW9ubGluZS5kZS9BQ1NfMTQ2NDEy