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Letzter Brief

„Ich bitte Gott von Herzen um Vergebung aller meiner Sünden, die ich begangen habe. Ich hoffe, dass er meine letzten Gebete erhören wird, damit meine Seele seiner Güte teilhaftig werde.“

Es sind beeindruckende Sätze, die ich in dem Abschiedsbrief der französischen Königin Marie Antoinette lese. Sie hat diesen Brief verfasst am Vorabend ihrer Hinrichtung durch die Girondisten, mitten in Paris. Der Brief war an Madame Elisabeth gerichtet, die jüngste Schwester von Marie Antoinettes Ehemann, Ludwig XVI. Der ist zu diesem Zeitpunkt bereits durch die Guillotine hingerichtet, ihre beiden Kinder sind von Marie Antoinette getrennt.

Vor kurzem habe ich vor der nachgebildeten Zelle von Marie Antoinette gestanden. Ein Bett, ein paar Stühle und ein Tisch mit einem Kreuz sind darin. Alles nur durch einen Wandschirm abgetrennt von dem Bereich, in dem zwei Soldaten Wache gehalten haben. Mein Blick ist dann auf das in Zellennähe aufgehängte Gemälde gefallen, das den Gang der Königin zur Guillotine zeigt. Die Szene ist finster dargestellt, zeigt die Königin erhobenen Hauptes, bewacht von Schergen mit Lanzen, die sie auf den Richtplatz begleiten. Aber es fällt ein helles Licht auf Marie Antoinettes Kopfbedeckung und ihren Umhang, beides ganz in weiß.

Dieses Licht finde ich wieder in den Formulierungen des Abschiedsbriefes: Marie Antoinette hat ihr Leben in Gottes Hand gelegt, ihn um Vergebung ihrer Sünden gebeten. Sie trägt ihrer Schwägerin Elisabeth auf, diese solle ihrem Sohn die letzten Wortes seines Vaters übermitteln: „Möge er niemals danach trachten, unseren Tod zu rächen!“. Im Angesicht ihres Todes hat Marie Antoinette ihren Feinden alles Böse verziehen, das sie durch sie erlitten hat. Sie hat darum gebeten, dass ihre Angehörigen einander Freundschaft und Vertrauen entgegenbringen sollen, um glücklich zu sein.

Ich wünsche mir, dass viele von uns in Schwellensituationen ihres Lebens auch solche Briefe an nahestehende Menschen schreiben können. Nicht nur, wenn der eigene Tod naht. Der Wunsch nach Vergebung der eigenen Schuld; danach, den Feinden verzeihen zu können; und die Bitte um Gottes Segen für die Familie – das ist zeitlos richtig.