Beiträge

Lauter liebe Menschen

Einmal in der Woche feiere ich einen Gottesdienst im Altenheim. Mittlerweile kenne ich die Menschen dort recht gut. Jeder dort hat seine Eigenarten. Über eine Frau freue ich mich immer ganz besonders, wenn sie da ist. Sie ist dement. Aber anders als viele demente Menschen ist sie nicht aggressiv oder dämmert vor sich hin. Diese Frau ist immer fröhlich. Wenn ich sie am Anfang des Gottesdienstes begrüße, sagt sie immer: »Sie sind so ein lieber Mensch. Hier sind nur liebe Menschen – lauter liebe Menschen.«

Ich weiß, dass das nicht die Wahrheit ist. Weder sind alle Menschen auf der Welt liebe Menschen, noch sind sie es im Altenheim. Die Menschen sind dort wie überall so, wie sie sind. Manche sind freundlich, andere nicht. Einige haben gerade einen ausgesprochen guten Tag und es gibt welche, die mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden sind.

Trotzdem: jedes Mal, wenn diese Frau mich mit den immer gleichen Worten willkommen heißt, muss ich lächeln. Ich freue mich, dass sie ungefiltert Gutes sehen kann. Sie sieht auch dann noch das Beste, wenn ich den Weltuntergang vor der Tür sehe.

Ich glaube, dass diese Frau schon etwas weiß vom Reich Gottes, das ich erst noch finden muss. Jesus sagte einmal: »Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.« Gott lässt sich nicht durch Wut und Hass, durch Egoismus und Hartherzigkeit entdecken. Gott lässt sich finden, wo Menschen lieben. Diese Frau kann – aufgrund ihrer Erkrankung – lieben. Sie schaut auf Gott und erkennt in jedem Menschen Bruder und Schwester, Freundin und Freund.

Ich würde gerne einmal durch ihre Augen schauen. Ich vermute, dass ich dort etwas entdecken würde, was meinen Blick für die Welt verändert. Ich würde einmal davon ausgehen, dass nur liebe Menschen, um mich herum sind. Was könnte dann geschehen? Wie würde ich dann mit anderen umgehen? Wen würde mich dann neu lieben lernen? Eine spannende Entdeckungsreise wartet da zu den Menschen und zu Gott.