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Kriegsdienstverweigerung

Diesen alten, stockfleckigen Ordner habe ich am Karfreitag beim Aufräumen im Keller gefunden. Unterlagen von 1982, dem Jahr meiner Kriegsdienstverweigerung. Verstaubte Bescheide in verstaubter Sprache: „Der Wehrpflichtige Jörg Metzinger (…) ist berechtigt, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Das Verfahren ist kostenfrei.“

Einen Tag später, am Ostersamstag, war ich auf dem Bauernmarkt in Saarbrücken. Und sehe ein paar älteren Menschen zu, die Stände aufbauen für die Abschlusskundgebung des Ostermarsches. Verstaubte Sprache wie von 1982: „Schluss mit Kanonen statt Butter!“ „Frieden schaffen ohne Waffen!“

Dagegen hat die Mainstream-Sprache von heute einen anderen Sound: „Wir müssen kriegstüchtig werden!“ sagt der Kriegs…, pardon: Verteidigungsminister. Das Gesundheitswesen „muss sich für militärische Konflikte besser aufstellen“ sagt der Gesundheitsminister.  Schulkinder sollen Zivilschutzübungen machen, sagt die Bildungsministerin. Der oberste Soldat im Saarland fordert gestern in der Saarbrücker Zeitung bessere Autobahnen und Schienen. Für den Truppentransport. Eltern haben wieder Angst um ihre Söhne, die zu Soldaten werden könnten. Ich auch um meinen.

Und meine Kirche? Ich kenne Pfarrer, die 1982 Raketendepots blockiert haben und heute kurz davor sind, Waffen zu segnen. Aus christlicher Überzeugung Waffen abzulehnen – wer das heute vertritt, muss sich auf mächtig Gegenwind gefasst machen. Wie Margot Käßmann, einst oberste Repräsentantin der evangelischen Kirche in Deutschland, als sie das Manifest für den Frieden unterschrieb. „Putinversteherin!“ 1982 hieß es: „Vaterlandsverräter, geh doch rüber!“

Weder ich damals noch Margot Käßmann heute machen sich Illusionen angesichts brutaler Despoten. Wir nehmen sie todernst, die Toten, Verletzten, Vergewaltigten, immer, immer mehr, je länger die Gewaltspirale sich dreht. Christlicher Pazifismus: ein Stachel im militaristischen Denken. Jesus hat vorgelebt: es kann auch anders gehen. Ja, es muss anders gehen. Krieg darf um Gottes Willen nicht sein.

Heute vor 56 Jahren, am 4. April 1968 wurde um 18.01 Uhr in Memphis, Tennessee, Martin Luther King erschossen. US-amerikanischer Pfarrer, Friedensnobelpreisträger, ein evangelischer Märtyrer des gewaltlosen Widerstandes. Erschossen, nachdem er sich der Antikriegsbewegung angeschlossen hatte.

 

Würde ich heute wieder den Kriegsdienst verweigern?

 

Der Link zur Mediathek: https://www.sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=138915