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Kleidung

Es ist schwarz. Mein Konfirmationskleid. Ich trage es mit Widerwillen. Dünn und schlaksig, wie ich bin, hängt es traurig an mir herunter. Niemals zuvor bin ich in ein solches Outfit geschlüpft. Aber nun verlangt es die Kleiderordnung jenes Dorfes, in dem ich mein eigenes Ja zum Christsein geben soll. Es ist das Jahr 1970. Ob der Pfarrer meines Heimatortes wohl ahnt, wie verloren ich vor ihm knie? Wie ich mich dem Segen jenes Gottes nur schwer öffnen kann, dessen Angesicht doch leuchtend, lichtvoll und liebevoll über mir aufgehen will?

„Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich, du bist schön und prächtig geschmückt. Licht ist dein Kleid, das du anhast.“ (Psalm 104, 1u.2).

Dieser Psalmvers wird für mich als Jugendliche zu einem modischen Aha-Erlebnis. Gott trägt ein Kleid aus Licht, ein schönes Kleid, ein herrliches Kleid. Was für eine befreiende Nachricht. Wenn Er schön sein darf, dann doch auch ich. Warum muss es dieses Schwarz sein, in dem wir uns zur Konfirmation einfinden? Es wundert mich nicht, dass Klassenkameradinnen Kirche nur allzu oft mit Farblosigkeit gleichsetzen. Der Psalm stimmt meine Seele fröhlich, aber auch aufmüpfig.

Kurz vor meinem Abitur, an einem Karfreitag, ziehe ich meine selbstgenähte rote Wolltuchjacke an. „So willst du in die Kirche?“ fragt mich meine Mutter entsetzt. Ich entgegne ihr selbstbewusst: „Ostern war doch schon!“ Meine Mutter und ich haben diesen Gottesdienst niemals vergessen.

Das Bedürfnis, sich schön zu machen, seinem Wesen Ausdruck zu verleihen – auch durch das, was man anzieht – das findet sich in allen Kulturen wieder. Denn Bekleidung birgt immer auch eine Botschaft: So bin ich. Ich möchte, dass du mich wahrnimmst. Ich möchte schön für dich sein.

Leider haben die christlichen Kirchen dieses Bedürfnis nach Schönheit immer wieder mit dem Beigeschmack von Eitelkeit, Selbstsucht und Unglauben versehen. Gerade erst hörte ich eine junge Pfarrerin sagen, dass sie am Sonntagmorgen einen Kampf mit dem Spiegel geführt habe. Darf ich im Gottesdienst Ohrringe anlegen oder nicht? Darf ich meine Lippen schminken oder soll ich das lieber lassen? Sie hat sich gegen die Ohrringe und gegen Lippenrot entschieden.

Eine Freundin erzählt mir von Gottesdiensten in Tansania. Es sei atemberaubend, wie festlich, bunt und witzig gekleidet die Menschen dort in die Kirche kommen. Viele wohnen in einfachsten Verhältnissen. Morgens kommen sie aus Hochlandkälte und Staub in den Gottesdienst und tragen ihre schönsten Kleider und Anzüge. Es sei eine Pracht.

Der Sonntag ist der Tag der Schönheit, der guten Nachrichten, des Zusammenkommens, des Singens, Lobens und Betens. Hier bin ich Gott! Ich habe mich schön gemacht, für mich, meinen Nachbarn, aber auch für dich. Kannst du das sehen? Lass den Tag zum Fest werden. Lass mich ein geschmücktes Haus sein, in dem wir mit einem Fest den Alltag unterbrechen.

„Ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.! (Eph. 4, 24).

Gottes Schönheit leuchtet nicht nur im Unauffälligen, im Verzicht, im Leisen, im eintönigen Mausgrau und Schwarz. Und mein Glaube an ihn auch nicht. Es gibt eine Menge biblischer Texte, die davon erzählen, welche wunderbaren Anziehsachen Gott uns Menschen zugedacht hat. Hochzeitliche Kleider, Kleider, die so schön sind wie die Lilien auf dem Felde. Von weißen Kleidern ist die Rede und von denen, die man geschenkt bekommt, wenn einem das Leben misslang und man es wieder auf eine gute Spur bringen will. Wie ein verlorener Sohn oder eine verlorene Tochter. Und es ist die Rede vom Overall der Liebe, den man sommers und winters überwerfen soll. Er ist das schönste unter allen Kleidungsstücken.

Ich bin mir mit vielen einig: Ich möchte mit meiner Kleidung ausdrücken, wer ich bin. Was ich fühle, was ich glaube. Ich möchte mich an meinem Körper freuen und ihn wunderbar bekleiden, weil Gott uns Menschen wunderbar gemacht hat. Als seinen Tempel, in dem Er gerne wohnen möchte.