Beiträge

Kirche nicht gesprengt

Nur mit etwas Dynamit kriegt man sie nicht klein. Die alte evangeli­sche Kirche von Oberlinxweiler kann nicht gesprengt werden wie geplant. Am Montag mel­dete das Technische Hilfswerk St. Wendel: Sie ist zu stabil gebaut. Die Detonation wäre zu groß.

Ich musste schmunzeln. „Ein feste Burg“ haben sie da gebaut, die Oberlinxweiler Protestanten. Rechneten Sie damit, dass man ihr Kirchlein schon nach einem halben Jahrhundert würde aufgeben müssen?

Der Beton hält also noch, doch es bröckelt bei den Menschen. Im Juli freuten sich die beiden großen deutschen Kirchen zwar über mehr Taufen als Austrittszahlen für das Jahr 2016. Doch rechnet man Ver­storbe­ne hin­zu, dann verlie­ren beide Konfessionen weiterhin massiv Ge­meindeglieder – die evan­gelischen Kirchenkreise Saar-Ost und -West jedes Jahr etwa eine halbe Gemeinde. Das mag auch am demografischen Wandel liegen. 1961, im Jahr des Kirch­baus von Oberlinxweiler, hatte das Saarland noch 21000 Gebur­ten, dreimal so viel wie heute. Aber die Demografie macht’s nicht allein.

Es gelingt uns als Gemeinden viel zu selten, Menschen über den Dunstkreis unseres eigenen Milieus hinaus für die Botschaft von Jesus Christus zu gewinnen. Oder zumindest, sie so von unserem Dienst an der Gemeinschaft zu überzeugen, dass sie uns gerne unterstüt­zen.

Ich sehe einerseits das Engagement vieler Christinnen und Christen in den Gemeinden. Sie erzählen mit ihrem Einsatz, woran sie glauben. Sie sind für andere da. Auf der anderen Seite erscheint das öffentliche Bild beider Kirchen wie in Beton gegossen. Das Zerrbild einer Amts­kirche, die mit Steuergeldern finanziert anderen Wasser predigt und selbst Wein säuft, die sich verstrickt in Skandale aller Art. Beide Bilder brauchen eine Revision. Engagierte Gemeinden müssen lernen, eine Sprache zu sprechen, die auch Fernstehende erreicht und überzeugt. Die große Zahl der Distanzierten muss sich aber auch fragen, ob und wo das gern gepflegte Bild von der selbstgerechten, rei­chen Kirche denn wirklich stimmt. Und was bleiben soll, wenn sich die Gemeinden, so wie in Ober­linxweiler, zurückziehen müssen.

Nun fliegt das ehemalige Gotteshaus also doch nicht in die Luft. Es wä­re ein eindrückliches Bild gewesen, für die manche bedrückend. Wie ein Symbol für die offe­ne Frage, welche Form und welchen Raum das christliche Engage­ment in unserer Gesell­schaft zukünftig ein­nehmen soll.