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„In Ängsten – und siehe: wir leben!“

Es waren geradezu apokalyptische Schreckensbilder, die vor Kurzem die Medien beherrscht haben und noch immer präsent sind: Die politische Katastrophe in Afghanistan, die Brände rund ums Mittelmeer sowie in den USA und die Flut in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.  Infrastruktur, Ortschaften und riesige landwirtschaftliche Flächen wurden zerstört, die Ernte vernichtet – im Ahrtal zum Beispiel 90 Prozent der Weinberge!

Da stellt sich angesichts des Erntedankfestes am nächsten Wochenende die Frage: Wie können wir dieses Fest feiern? Können wir es überhaupt feiern?
Manche sagen: Bei uns in Deutschland gäbe es ja zum Glück sehr viel menschliche, finanzielle und materielle Hilfen. Viel mehr als in anderen Ländern. Und in jeder Krise stecke schließlich auch eine Chance. Die Menschen, die selbst betroffen sind von Schicksalsschlägen wie dem Tod geliebter Menschen oder großen Existenzängsten – die dürften das Ganze wohl anders sehen.

Bei ihnen ist Angst vor der Zukunft da wohl eher das beherrschende Gefühl, wenn sie sich fragen: „Wie soll ich jetzt weiterleben? Wer gibt mir Kraft dazu? Was schenkt mir Zuversicht?“ Und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt! Vor 12 Jahren habe ich mich das auch gefragt, als mir der Arzt die schreckliche Diagnose `Krebs` mitgeteilt hat. Da habe ich auch von einem Tag auf den anderen den totalen Bruch in meinem Leben erfahren, da gab es ohne Vorwarnung auch nur noch ein Vorher und ein Nachher. Ein Leben VOR der Diagnose und eines DANACH. Was konnte mich da noch trösten und stärken?

Eine wichtige Erfahrung war: Es gab Hilfe und Fürsorge. Es gab anteilnehmende und Heilungschancen behutsam ansprechende Worte von Ärzten und Schwestern, liebe Worte von meiner Frau und meinen Kindern. Und da war nicht zuletzt auch meine persönliche Glaubenserfahrung mit den Worten des Apostels Paulus. Er schreibt an die Gemeinde in Korinth: „Wir leben in Ängsten, wir sind wie Sterbende, aber siehe: Wir leben!“  Das Leben im Glauben, das nicht vor der Angst flieht oder sie zu verdrängen sucht, hat mir wieder Mut gemacht, mit und trotz meinen Ängsten zu leben.

Und die weitere gute Nachricht in solch niederschmetternden Krisensituationen heißt: Wer Angst und Not bekämpft, steht nicht alleine da, sondern erfährt immer wieder Hilfe und Unterstützung von seinen Nächsten als ein Zeichen der Hoffnung, die neuen Lebensmut schenkt!

Der Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer hat 1944 im Gestapo-Gefängnis zu Berlin – nach langer Haft und den Tod vor Augen – den Grund für diese meine Hoffnung auf den Punkt gebracht:

„Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes
entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten
dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“

Ich habe jedenfalls erfahren: das sind nicht einfach nur Worte. Darin steckt sehr viel Kraft zum Leben und diese Kraft, die wünsche ich auch Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer. Ein schönes Wochenende Ihnen allen!