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Immer wieder Geschichten

Dieser Tage war ich beim Frisör. Und ich dachte: immer die gleichen Geschichten. Über Krankheiten, das miese Wetter, wer mit wem. Und warum. Hasengespräche. Später in der Arztpraxis: dasselbe. Da gibt’s kein Entrinnen. Immerhin: die Zeit geht schneller rum.

In andere Geschichten dagegen, in die könnte ich mich verkriechen. Ein typisches Januarphänomen. Verregnete, dunkle Tage, also am Samstag Decke über den Kopf, und verkriechen in skurrile skandinavische Krimigeschichten.

Ich brauche Geschichten zum Leben und Überleben. Ich erinnere mich an Geschichten meiner Kindheit. Vom Märchen, das trotz mancher Grausamkeit gut ausgeht. Glühende Gesichter beim Nachahmen des Rumpelstilzchens, Fußgestampfe und Trotz gegen die herrschenden Könige jener Zeit. Geschwisterpaare, die die Hexe besiegen und den Weg aus dem Wald finden. Großartig diese Geschichten. Da bin ich als Kind richtig hineingezogen worden.

Und dann die Begegnung mit zeitlosen Geschichten Dieses glitzernde Gefühl, die tiefe Ahnung, dass diese Geschichten mein kleines Leben und meine Vorstellungskraft übersteigen. Nämlich biblische Geschichten. „Es begab sich aber zu der Zeit… Siehe, Ich aber sage euch…“  Wichtig sind mir Gleichnisse geworden, die Jesus erzählt. Einfach mitten aus der aktuellen Lebenswelt der Leute um ihn herum. Eins will ich erzählen. Jesus sagt:

Was meint ihr: Einer von euch hat hundert Schafe und verliert eines davon. Wird er dann nicht die neunundneunzig Schafe in der Wüste zurücklassen? Wird er nicht das Verlorene suchen, bis er es findet? Wenn er es gefunden hat, freut er sich sehr. Er nimmt es auf seine Schultern und trägt es nach Hause. Dann sagt er allen: Freut euch mit mir! Ich habe das Schaf wiedergefunden, das ich verloren hatte. Das sage ich euch: Genauso freut sich Gott im Himmel über einen Sünder, der sein Leben ändert. Er freut sich mehr als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben, ihr Leben zu ändern.

Mich begeistert, Gottes unendliche Güte und Weitherzigkeit, die dort so anschaulich erzählt wird. Beschämt bleiben zurück, die es gerne gesetzlich und moralisch richtig machen würden. Die alles dafür tun, korrekt zu leben und zu glauben, und sich damit den ersten Platz bei Gott verdienen wollen. Ich kann das ja verstehen. Auch ich hätte gerne die beste Ewigkeit bei Gott, die ich mir vorstellen kann. In jenen Geschichten hält Gott auch mir einen Spiegel vor. Ich bin herausgefordert, über meine Haltungen gegenüber Mensch und Gott, nachzudenken.

Ich habe einige meiner Bekannten mal gefragt, was eigentlich ihre Erinnerungsgeschichten aus der Bibel sind. Es sind Geschichten, in denen Jesus Menschen sieht, die damals eigentlich keiner im Blick hatte, Kinder und Frauen, Blinde, Arme. Oder auch schwierige Typen.

Ich denke: Wir brauchen Geschichten. Vor allem diese zeitlosen, tiefen Geschichten, wie sie nicht nur, aber auch in der Bibel stehen.

Christina Brudereck schreibt in einem Gedicht:

 

Wir lernen aus Geschichten.

Sie wecken Kühnheit, verzaubern uns mit ihren Bildern.

Lesbarer wird die Welt mit alten, weisen Worten,

die uns im Heiligen, im Größeren verorten.

Wir lernen mit Geschichten glauben, lieben, hoffen.

Und unsre Verzagtheit wird vom Mut bald übertroffen.

Wir werden satt, stark, friedlich, Mitglied einer Bande.

Und das Ende ist ein Treffer oder bleibt noch offen.

 

Ich bin dankbar, dass ich biblische Geschichten bis heute als Kraftworte für mein Leben habe. Ich wünsche allen, die auf der Suche nach Sinn und Orientierung sind, dass es Menschen gibt, die lebendig davon erzählen. Mut machen, mitten im Leben, vielleicht an ganz ungewohnten Orten. Und wer weiß, vielleicht verwandelt sich dann ein Hasengespräch während der Intensivtönung zu einem Gespräch über Gott in dieser Welt.